Dortmund: Festgenommener IS-Mitglied, aber nicht am Anschlag beteiligt

Der attackierte Bus des BVB.
Der attackierte Bus des BVB.APA/AFP/dpa/CARSTEN LINHOFF
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Es gebe laut Staatsanwalt keine Belege, dass der 26-Jährige für den Anschlag auf den Bus des BVB verantwortlich ist. Er habe sich aber 2014 dem IS im Irak angeschlossen. Die Behörden ermitteln inzwischen auch in links- und rechtsextremistischen Kreisen.

Nach dem Anschlag auf die Mannschaft des deutschen Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund (BVB) hat die Bundesanwaltschaft Haftbefehl gegen einen festgenommenen Iraker beantragt - aber nicht wegen Beteiligung an dem Anschlag selbst. Dafür hätten sich bisher keine Belege ergeben, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Der 26-Jährige steht aber im Verdacht, IS-Mitglied zu sein. "Die Ermittlungen haben bislang keinen Beleg dafür ergeben, dass der Beschuldigte an dem Anschlag beteiligt gewesen ist", hieß es.

Laut Bundesanwaltschaft soll sich der 26-jährige Abdul Beset A. spätestens Ende 2014 im Irak dem IS angeschlossen haben. Den Erkenntnissen zufolge führte er dort das Kommando über eine Einheit von etwa zehn Personen. Aufgabe seiner Einheit war es demnach, Entführungen, Verschleppungen, Erpressungen und auch Tötungen vorzubereiten. Er soll auch selbst gekämpft haben.

Im März 2015 reiste er laut deutscher Bundesanwaltschaft in die Türkei, von wo er Anfang 2016 wieder nach Deutschland zurückkehrte. Von dort aus unterhielt der Beschuldigte demnach weiterhin Kontakte zu IS-Mitgliedern. Am Donnerstag in der Früh wird er dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der über den Erlass eines Haftbefehls und die Anordnung von Untersuchungshaft entscheiden wird. "Die Ermittlungen haben bisher keinen Beleg dafür ergeben, dass der Beschuldigte an dem Anschlag (in Dortmund, Anm.) beteiligt gewesen ist", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Staatsanwaltschaft vermutet Terror-Hintergrund

Auch bei einem zweiten Verdächtigen, einem 28-jährigen Deutschen aus Fröndenberg im Kreis Unna, hat sich der Tatverdacht nicht erhärtet, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Die Wohnungen beider Männer waren durchsucht worden.

Bei dem Anschlag auf den BVB waren am Dienstagabend drei Sprengsätze mit Metallstiften nahe dem Mannschaftsbus von Borussia Dortmund detoniert. Der spanische BVB-Verteidiger Marc Bartra und ein Polizist wurden verletzt. Das Team war auf den Weg zum Champions-League-Heimspiel gegen den AS Monaco, dass dann am Mittwochabend nachgeholt wurde.

Die von der Tat geschockten Dortmunder verloren 2:3. Rund um das Spiel blieb es am Mittwochabend nach Polizeiangaben vergleichsweise ruhig. Hunderte Beamte sorgten für Sicherheit. Für kurze Aufregung sorgten zwei Rucksäcke und ein Roller. Spezialisten gaben aber rasch Entwarnung.

Die Polizei hatte am Anschlagsort drei gleichlautende Bekennerschreiben mit islamistischem Inhalt gefunden. Sicherheitskreise sprachen von einem für Islamisten eher untypischen Vorgehen. So gebe es auf dem Schreiben keinerlei IS-Symbole wie etwa die typische Fahne.

Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe vermutet einen terroristischen Hintergrund. Unklar ist aber, von welcher Seite. Die Polizei schloss einen islamistischen Hintergrund genauso wenig aus wie gewaltbereite Fußballfans, Rechtsextreme oder Erpresser.

Sprengsätze "hochprofessionell"

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landesinnenminister Ralf Jäger waren die Sprengsätze hochprofessionell gebaut. "Die Sprengkraft war enorm", sagte er am Donnerstag in einer Sitzung des Innenausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Täter gewaltbereite Fußballfans seien.

Die Täter seien nicht gefasst und hätten weitere Anschläge angekündigt, sagte der Minister. "Das nehmen wir sehr ernst". Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann sagte: "Wir suchen nach mordbereiten Tätern". Es werde auch nach Fingerabdrücken an den Sprengsätzen gesucht.

Es werde in Richtung Links- und Rechtsextremismus sowie Islamismus ermittelt, sagte der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier. Der Tatort selbst wurde am Donnerstag wieder freigegeben. Mit Blick auf Islamismus sage er, es fehlten arabische Floskeln, auch seien die Forderungen am Ende des Textes untypisch für die Terrormiliz Islamischer Staat. "Der IS verhandelt nicht", sagte Freier.

Neues Sicherheitskonzept für Fußballspiele gefordert

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, Ansgar Heveling (CDU), hat als Konsequenz aus dem Sprengstoffanschlag in Dortmund ein neues Sicherheitskonzept für große Fußballspiele gefordert. "Angesichts des Anschlags von Dortmund werden die Sicherheitsbehörden ihren Fokus für den Schutz großer Fußballspiele weiter fassen müssen", sagte Heveling der "Rheinischen Post".

Bisher stünden eher die Menschenmengen im Stadion im Zentrum der Aufmerksamkeit. Offensichtlich müssten aber auch die Routen der Spieler und das gesamte Umfeld stärker in die Sicherheit einbezogen werden, sagte der Innenexperte. "Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass in Dortmund ein islamistischer Anschlag verübt wurde, dann stehen wir vor einer neuen Qualität des Terrors, weil mit der BVB-Mannschaft eine konkrete Gruppe das Anschlagsziel war", sagte Heveling.

Auch für den Vizevorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, greift die Debatte über schärfere Einlasskontrollen in Fußballstadien nach dem Anschlag auf den Mannschaftbus von Borussia Dortmund zu kurz. Fiedler sagte am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin, die Politik müsse Sicherheitsbehörden und -dienste stärken. "Privatorganisationen wie Vereine im Fußball sind natürlich auch gefragt", betonte Fiedler. "Wir werden in den nächsten Jahren damit leben müssen, dass wir es innerhalb der Gesellschaft mit einer höheren Bedrohungssituation zu tun haben."

(APA/Reuters/dpa/AFP)

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