Die MHP ist tief gespalten – und unzufrieden mit dem Parteichef.
Ankara. Devlet Bahçeli, Parteichef der ultranationalistischen MHP, galt als Königsmacher dieses Referendums. Die Türkei stimmt an diesem Sonntag über eine neue Verfassung ab, und die regierende AKP braucht für ein Ja die Stimmen des nationalistischen Lagers. Bahçeli hat sich seit Beginn des Wahlkampfs auf die Seite der AKP geschlagen und öffentlich über die Vorzüge einer Präsidialrepublik referiert. Der MHP-Chef und die Granden der regierenden AKP zeigten sich einträchtig im Parlament, bisweilen übernahmen sie den Gruß des jeweils anderen Lagers: Vertreter der Regierung zeigten den Wolfsgruß, Vertreter der MHP den Gruß der Muslimbrüder, den die türkische Regierungspartei übernommen hat.
Die offensive Verbrüderung dieser Parteien kam überraschend. Zuvor hatte man sich in den Parlamentssitzungen leidenschaftlich angefeindet, beschimpft und bei jeder Gelegenheit die inhaltlichen Unterschiede betont. Warum sich Bahçeli mit aller Begeisterung in das feindliche Lager begeben hat, erklären sich seine Gegner so: Ihm muss für sein Engagement eine politische Belohnung versprochen worden sein. Was das sein könnte, darauf kann sich niemand einen Reim machen. Auch angeheizt von der AKP selbst gehen die Spekulationen so weit, dass die MHP nach dem Referendum von der Regierungspartei „verschluckt“ werden könnte.
Daher kommt in der MHP der Schwenk Bahçelis nicht gut an. Teile der Partei haben sich öffentlichkeitswirksam dem Nein-Lager angeschlossen und dem Parteichef Opportunismus vorgeworfen. Anschließend hat die MHP mehrere Funktionäre aus der Partei hinauskomplementiert. Und auch Bahçeli selbst sorgt für Verwirrung. Jüngst ließ er in einem TV-Interview durchklingen, dass er nicht alle Punkte der Verfassungsänderung gutheiße und über die Punkte nachdenke. Einige Medien interpretierten die Aussagen als Nein-Stimme – was er später negierte.
In jedem Fall sehen einige Beobachter schon das politische Ende Bahçelis nahen. Ein User auf Twitter schreibt: „Egal, wie das Referendum ausgeht, einen Verlierer gibt es schon: Bahçeli.“ (duö)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2017)