Türkei-Referendum

Nein-Lager: „Das wäre wie Iran und Uganda“

CHP-Chef Kilicdaroglu
CHP-Chef KilicdarogluREUTERS
  • Drucken

Das Nein-Lager warnt vor einem „Ein-Mann-Regime“ und zeichnet ein düsteres Zukunftsbild für die Türkei unter Erdoğan.

Das Nein-Lager ist in mehrere Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen zersplittert, für große Kundgebungen haben sie sich bisweilen zusammengeschlossen. Ihren Kampagnen ist gemein, dass sie alle vor einem „Ein-Mann-Regime“ warnen: Die Präsidialrepublik sei einzig auf die Wünsche Recep Tayyip Erdoğans zugeschnitten. Oder, wie es in den Flyern der Oppositionsparteien heißt: „Ein Mann wird zum Präsidenten gewählt, und diese Person wird gleichzeitig auch die Regierung sein, das Parlament und das Gericht.“ Der regierende Präsident werde Vollmachten besitzen, die nicht einmal Staatsgründer Atatürk hatte.

So sei die Macht im neuen System derart gebündelt, dass der Staatschef nicht nur Mindestlöhne bestimmen, sondern auch Gewerkschaften auflösen kann. Die linken Parlamentsparteien, die sozialdemokratische CHP und die prokurdische HDP, warnen davor, dass die Abgeordneten im neuen System keinerlei Bedeutung mehr hätten. Sie vergleichen die türkische Präsidialrepublik nicht nur mit den Monarchien der Vergangenheit, sondern zeichnen auch ein düsteres Zukunftsbild: „Wir werden nicht in einem Land wie Deutschland, Frankreich, England, USA oder Japan leben, sondern in einem wie Syrien, Libyen, Ägypten, Iran, Nordkorea und Uganda.“ Die von der AKP hervorgehobenen Kontrollmechanismen zwischen Parlament und Regierung relativiert die Opposition: „Angenommen, der Präsident tötet einen Menschen auf der Straße. Er kann nicht vor Gericht gestellt werden, wenn 400 Abgeordnete gegen die Verfolgung sind.“ Darüber hinaus habe der Präsident die Vollmacht, das Parlament, das für seine Verfolgung plädiert, aufzulösen.

Vom Nein-Lager ist in der türkischen Öffentlichkeit insbesondere die CHP sichtbar: Ihre Plakate zeigen ein Schulmädchen, das Motto lautet: „Nein – Für meine Zukunft.“ Die Spitzen der HDP sitzen in Haft, auch sonst ist die Partei in den vergangenen Monaten weitgehend handlungsunfähig gemacht worden. Ihre Kampagne findet daher großteils auf den Straßen statt. Wiewohl die Verfassungsreform keine Änderung an der laizistischen Staatsordnung vorsieht, warnen HDP und CHP vor dem Einzug des politischen Islam in Militär und Justiz, da der Präsident die Schlüsselstellen direkt besetzen kann. Zudem meinen Frauenorganisationen, dass die Gleichstellung für eine konservative AKP-Präsidialrepublik unwichtig sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Premierminister Binali Yıldırım
Türkei-Referendum

Ja-Lager: „Für eine starke Türkei“

Das Ja-Lager wirbt damit, dass eine Verfassungsreform Stabilität und ein Ende der ewigen Koalitionsstreitigkeiten bringe.
Präsident Erdogan wirbt für ein "Evet" beim Verfassungsreferendum.
Außenpolitik

Erdogan: Sieg bei Referendum wird Todesstrafe Weg ebnen

Präsident Erdogan tritt am Samstag vier Mal auf, um für sein Präsidialsystem zu werben und bringt die Todesstrafe erneut aufs Tapet.
Finale im Wahlkampf. Mit gewaltigen Plakaten wirbt der türkische Staatschef Erdo˘gan in Istanbul für ein Ja zu dem von ihm geplanten Präsidialsystem. Es würde seine Machtfülle erweitern.
Außenpolitik

Wie die Türkei unter dem neuen System aussehen würde

Recep Tayyip Erdoğan will sich von der Bevölkerung seine Vision einer Präsidialrepublik absegnen lassen. Der Staatschef soll die ganze Macht erhalten.
Der islamische Prediger Fethullah Gülen lebt im USamerikanischen Exil. Er hat einst der regierenden AKP geholfen, ihre Macht zu festigen.
Außenpolitik

Schulen im Visier: Der globale Kampf zwischen Erdoğan und Gülen

Die Bewegung des islamischen Predigers betreibt ein dichtes Netzwerk an Lehranstalten in aller Welt. Ankara will Kontrolle über die Schulen – mit einer eigenen Stiftung.
Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu
Außenpolitik

Watschenmann Europa tut sich mit Türkeikritik schwer

Faschistisch, rassistisch, fremden- und islamfeindlich – türkische Regierungsvertreter überhäufen die Europäer mit immer schrilleren Vorwürfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.