Nach der deutschen Wiedervereinigung gingen die Liegenschaften der DDR in den Besitz der BRD über. Das ehemalige DDR-Konsulat wurde zur Residenz des deutschen Botschafters.
Es war eine sehr gute Idee.“ Zufrieden steht Hans Henning Blomeyer-Bartenstein neben den Masten, auf denen die deutsche Flagge und die EU-Fahne hängen, und blickt auf das Gebäude dahinter. Auf die alte Villa in der Hietzinger Aufhofstraße, in der er seit drei Monaten wohnt – in seiner Residenz.
Die gute Idee, von der der deutsche Botschafter in Wien spricht, die wurde bereits 1996 geboren – nämlich die, das Gebäude zu revitalisieren und ihm wieder jenen Glanz zu verleihen, den es nach nach seiner Errichtung im Jahr 1899 gehabt haben musste. Denn diesen Glanz hatte die alte Villa damals eingebüßt. Damals, als sie im Jahr 1978 von der Deutschen Demokratischen Republik gekauft und zum Konsulat umgewandelt worden war.
Bürokratische Geschäftigkeit und sozialistisch-nüchterne Ästhetik bestimmten fortan den Eindruck des k.u.k. Hauses. Stuckdecken wurden hinter Gipskarton-Hängedecken verborgen, Zwischenwände wurden eingezogen, Dachziegel wichen Asbestzementplatten und Flachdächern aus verzinktem Blech. Und statt durch herrschaftliches Ambiente wurden Besucher, die um ein Visum für die DDR ansuchten, eben durch kalte und nüchterne Büroatmosphäre begrüßt.
Auferstanden aus Ruinen. Für rund 20 Jahre sollte das Gebäude ein nüchternes Innenleben aus Bürokratie führen. Erst als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, waren die Tage der sozialistischen Einnistung in das k.u.k. Gemäuer gezählt. Noch ein knappes Jahr sollte es im Besitz der DDR bleiben. Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ging der gesamte Bestand an Liegenschaften des Arbeiter- und Bauernstaates schließlich an die Bundesrepublik.
Für die BRD ein willkommenes Geschenk, war doch die räumliche Situation in der Botschaft in der Metternichgasse schon mehr als beengt. 1996 begann man, das Gebäude zu restaurieren, die Umbauten der DDR-Zeit rückgängig zu machen und das Haus zur repräsentativen Residenz auszubauen, die im Dezember 1998 schließlich feierlich eröffnet wurde.
„Das war ein normaler Teil des Prozesses der Wiedervereinigung, dass die Gebäude der DDR in den Besitz der Bundesrepublik übergegangen ist“, sagt Blomeyer-Bartenstein. „Die Lage und das Haus sind ja sehr attraktiv.“ Heute erinnert nichts mehr daran, dass seine Residenz Teil des diplomatischen Erbes der DDR ist. „Einige Einrichtungsgegenstände, Geschirr, Besteck oder Bilder von damals, werden auch heute noch verwendet“, erzählt er.
Kein Hammer, keine Sichel. Und nein, diese Dinge wären nicht verdächtig, nur weil sie im Besitz der DDR waren. Man habe ohne ideologische Scheuklappen geprüft, was verwendbar ist – und was in einer Residenz nichts verloren hat, Büromöbel zum Beispiel. Und Hammer und Sichel oder kommunistisches Propagandamaterial? „Das gab es beim Umbau schon nicht mehr“, sagt der Botschafter, „aber die werden hier auch nicht vermisst.“
Die Residenz, das alte Konsulargebäude, ist allerdings nicht das einzige Gebäude, das nach dem Ende der DDR den Besitzer wechselte. Auch die DDR-Botschaft, gleich ums Eck in der Frimbergergasse, lässt heute nicht mehr erahnen, was sich früher darin befunden hat. Der Betonpfeiler, auf dem einst das Schild „Botschaft der Deutschen Demokratischen Republik“ prangte, steht nackt da, nur ein dunkler Abdruck erinnert daran, dass hier einmal eine Plakette gehangen haben muss.
Die massiven Gitter, die einst vor sämtlichen Fenstern des schmucklosen 60er-Jahre-Baus hingen, sind verschwunden. Die DDR-Flagge am Fahnenmast wehte schon nicht mehr, als Ende September 1990 der damalige Außenamtsgeneralsekretär Thomas Klestil für Klaus Wolf, den letzten Botschafter der DDR in Wien, ein melancholisches Abschiedsfest inszenierte.
Das DDR-Erbe ist hier fast vergessen. Nur den Fahnenmast, den gibt es noch. Zwar ist die Fahne daran rot, doch mit Sozialismus hat das nichts mehr zu tun. Denn spätestens beim genauen Hinsehen weiß man, warum: die Fahne ziert der Schriftzug des neuen Hausbewohners – der „Wiener Schule für Osteopathie“.
Gebäude
Die Botschaft der DDR war in der Frimbergergasse in Hietzing untergebracht. Eine alte k.u.k. Villa in der Auhofstraße wurde zum Konsulat bzw. zur Handelsvertretung adaptiert. Daneben besaß die DDR auch noch einige Wohngebäude in der Steckhoven- und der Feldmühlgasse – beide auch in Hietzing.
Erbe
Nach der deutschen Wiedervereinigung gingen sämtliche Liegenschaften der DDR in den Besitz der BRD über. Einige der Gebäude wurden verkauft, im ehemaligen Konsulat wurde die Residenz des deutschen Botschafters eingerichtet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2009)