Kriminalität: Wo Wien am (un)gefährlichsten ist

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Seit dem tödlichen Kopfschuss am Wochenende fragen sich viele, ob man in der Brigittenau oder in einem anderen Bezirk besonders gefährlich lebt. Die Antwort: Nicht selten widersprechen die harten Fakten dem erlebten Gefühl.

Wien. Ostersonntag, Wien Brigittenau. In der Jägerstraße geraten auf dem Gehsteig mehrere Personen miteinander in Streit. Plötzlich fällt ein Schuss. Ein Toter bleibt mit einer Kugel im Kopf zurück. Kurze Zeit später stellt sich der mutmaßliche Täter, ein 27-jähriger Kosovare, der Polizei.

Steht dieses Gewaltverbrechen exemplarisch für die Sicherheitslage in Wien? Ist es typisch für die Brigittenau? Trifft für die Region gar das starke Wort „Problembezirk“ zu? Oder ist ein spektakuläres Gewaltverbrechen, das nach derzeitigem Kenntnisstand ein persönliches Motiv als Auslöser hat, alles andere, nur nicht repräsentativ? „Die Presse“ hat die größten Deliktsfelder der Kriminalstatistik für 23 Wiener Bezirke ausgewertet und miteinander verglichen. Das Ergebnis ist eine Art Kriminalitätsatlas der Hauptstadt.

Gewaltkriminalität

War der Mord vom Ostersonntag typisch für die Region? Die Antwortet lautet Nein.

Im Vorjahr nahm die Polizei in der Brigittenau 726 Anzeigen wegen Gewaltdelikten auf. Das klingt nach viel, dabei wird jedoch vergessen, dass der 20. Bezirk auch über vergleichsweise viele Einwohner verfügt. Aussagekräftiger als die Gesamtzahl der Anzeigen ist daher die Zahl der Delikte pro – zum Beispiel – 10.000 Einwohner.

Und plötzlich ergibt sich ein anderes Bild. Gerundet 84 angezeigte Gewaltdelikte sind auch trotz objektiv vorhandener sozialer Probleme im Bezirk (siehe Artikel unten) kein Grund dafür, die Region zu meiden. Rudolfsheim-Fünfhaus etwa bringt es auf 131 Gewalttaten pro 10.000 Einwohner.

Die Werte von Neubau (138) und der Inneren Stadt (680) – beide haben einen erheblich geringeren Fremdenanteil als jene 48 Prozent der Brigittenau – zeigen im selben Atemzug jedoch auch die Schwächen dieser Darstellungsform der Sicherheitslage: Lokale Besonderheiten wie touristisch stark genutzte Regionen, Einkaufszentren und -straßen wirken sich in bestimmten Deliktsfeldern stark auf die Statistiken aus. Das Gleiche gilt für die großen Fußballstadien und Bahnhöfe der Stadt.

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Einbrüche

Im Bereich Einbrüche in Wohnungen und Wohnhäuser lässt sich aus den Daten des Jahres 2016 (und auch der Jahre davor) einigermaßen deutlich ablesen: Eingebrochen wird vorzugsweise dort, wo es – voraussichtlich – etwas zu holen gibt. Also tendenziell in eher wohlhabenden Grätzeln. Aus diesem Grund führt wohl auch Hietzing wenig überraschend mit 62 Delikten pro 10.000 Einwohner die Wien-Liste an. Es folgen die Innere Stadt (60) und Döbling (49). Zum Vergleich: In der sozial schwachen Brigittenau sind es 19Einbrüche pro 10.000 Bewohner.

Kfz-Diebstahl

Bei den Kfz-Diebstählen scheint neben dem erwartbaren Profit auch die verfügbare Menge eine Rolle zu spielen. Mit 16 gestohlenen Autos pro 10.000 Einwohnern führt der erste Bezirk auch hier das Ranking an. Das bevölkerungsreiche Favoriten folgt deutlich dahinter mit elf auf Rang zwei.

Wirtschaftsdelikte

Auch hier gilt: Dort, wo die Betriebe sind, wird versucht, diese zu schädigen. 769 Anzeigen pro 10.000 Einwohner in der Inneren Stadt sind mit Abstand der höchste Wert in Wien. In – tendenziell – eher auf Wohnen ausgelegten Bezirken wie Donaustadt (69) oder Penzing (78) geht dieser deutlich zurück.

Ganz ähnlich ist das im faktisch grenzenlosen Internet und dem Bereich der Cyberkriminalität. Abgesehen vom Thema Kinderpornografie geht es hierbei häufig um Erpressung und Betrug. Die Opfer sind meistens dort, wo das Geld ist: in Firmen. Mit 89 Anzeigen pro 10.000 Einwohner führt auch hier die Innere Stadt. Die restlichen Wiener Bezirke bewegen sich – Ausnahmen ausgenommen – um einen Wert von etwa 20.

AUF EINEN BLICK

Kriminalität in Lokalvergleich. 2016 registrierte Wiens Polizei insgesamt 205.219 Anzeigen – ein Anstieg um 5,2 Prozent. Die unterschiedlichen Deliktsfelder verteilen sich genauso unterschiedlich auf die 23 Wiener Bezirke. Spektakuläre Gewalttaten wie der Mord am Ostersonntag lassen häufig den Eindruck entstehen, dass es sogenannte „Problembezirke“ gibt. Bei genauerer Analyse zeigt sich manchmal, dass die Daten in vermeintlich sicheren Regionen schlechter sind.

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