Studium: Gratis, aber sehr teuer

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In kaum einem anderen Land ist der Weg an die Uni für Arbeiterkinder so steinig wie in Österreich – dem Land des freien Bildungszugangs.

Wer heute seinen Wissensdurst an einer österreichischen Hochschule zu stillen versucht, hat nicht viel zu lachen: Die Hörsäle sind in vielen Studienrichtungen heillos überlaufen, die Institute seltener geöffnet als die Filialen heimischer Banken, die Infrastruktur nicht viel besser als in der ehemaligen DDR, die Professoren längst nicht mehr auf dem letzten Stand der Forschung – und die Assistenten eint das Privileg, noch keinen Cent in der „Privatwirtschaft“ verdient zu haben.

Das sind keineswegs gut gepflegte Klischees. Es ist die harte Realität, in der sich heimische Studenten bewegen. Dies verdeutlichen auch internationale Vergleiche wie etwa das Anfang der Woche veröffentlichte „Shanghai-Ranking 2009“, in dem die österreichischen Universitäten einmal mehr im Nirgendwo zu finden sind. Beste heimische Hochschule ist die Uni Wien, die es zumindest in die Nähe von Platz 150 schaffte.

(c) Die Presse / JV

An dieser Stelle werfen Politiker wie Professoren gern das Argument der zu bescheidenen finanziellen Ausstattung heimischer Unis in die Schlacht. Ist das so? Wenn von der Politik allen Maturanten des Landes ein Studienplatz versprochen wird (und auch den deutschen Abiturienten mit den nicht so tollen Noten), dann ist das mit etwas mehr als zweieinhalb Milliarden Euro keinesfalls zu machen. Mit dieser Summe ließe sich übrigens das alljährlich anfallende Defizit der Bundesbahnen gerade zur Hälfte abdecken.


Nicht sehr gut, aber teuer. Anders sieht die Sache aus, wenn man die Ausbildungskosten pro Student heranzieht. In dieser Wertung rangiert Österreich in der internationalen Spitzengruppe. Laut OECD investieren heimische Steuerzahler von der Inskription bis zur Sponsion flotte 78.000Dollar in jeden Hochschüler. Womit die Republik knapp zwei Drittel mehr Geld einsetzt als der Durchschnitt der 30 industrialisierten Länder. Mit anderen Worten: Die Ausbildung an Österreichs Universitäten ist höchst mittelmäßig und überdurchschnittlich teuer.

Nun könnte man einwenden, dass unsere Hochschulen zwar nicht ganz billig, dafür sehr sozial sind. Der Staat hat schließlich den Markt eliminiert und via „Gratisstudium“ ein egalitäres Bildungswesen eingerichtet. Niemand soll hierzulande aufgrund seiner sozialen Herkunft von höherer Bildung ausgeschlossen werden. Das ist nicht nur fair, sondern auch volkswirtschaftlich gesehen höchst sinnvoll. Jede moderne Wohlstandsgesellschaft lebt schließlich von ihren Talenten.

Weshalb das Educational Policy Institute aus Washington vor drei Jahren 13Industriestaaten auf die soziale Durchlässigkeit ihrer Hochschulen untersucht hat. Ergebnis: Österreich liegt hinsichtlich der sozialen Mobilität auf dem letzten Platz. Zwei Jahre später wurde die Untersuchung auf 20europäische Staaten ausgeweitet – und neuerlich schnitt Österreich verheerend ab. Das heißt, dass in kaum einem anderen Industrieland so wenig Arbeiterkinder den Weg an die Universität schaffen wie in Österreich, dem gelobten Land des Nulltarifstudiums.


Bildung wird „vererbt“. Die soziale Selektion beginnt laut IHS-Experten Martin Unger bereits in der Schule – und im Elternhaus. Die Wahrscheinlichkeit zu studieren ist für Kinder von Maturanten dreimal höher als für Kinder von Eltern ohne Reifeprüfung. Bei den Fachhochschulen (mit Studiengebühren und Eingangsprüfung) liegt das Verhältnis „nur“ noch bei zwei zu eins.

Auffallend ist neben der Diskriminierung in Österreich auch die hohe soziale Mobilität in Großbritannien und den USA. Die sündteuren Privatuniversitäten bieten nicht nur höchste Qualität, sie legen über reservierte Gratisplätze (in Princeton sind es 30Prozent der Studienplätze) für begabte Studenten aus einkommensschwachen Familien auch die Basis für deren sozialen Aufstieg.


Alles Geld den Studenten. Nun ließe sich mit 78.000Dollar eine Menge finanzieren (etwa zwei Studienjahre in Princeton zum Vollpreis). Vielleicht wäre es höchste Zeit für mehr Markt. Etwa, indem der Staat die Bildungsmilliarden nicht mehr automatisch an öffentliche Hochschulen überweist – sondern über Bildungsschecks sozial gestaffelt den Studenten in die Hand drückt. Die könnten dann selbst entscheiden, ob sie damit pragmatisierte Professoren bezahlen wollen, an deren Instituten Studenten wie Störenfriede behandelt werden. Oder ob sie die Schecks an Unis einlösen, die sich auf das Wohl ihrer Kunden konzentrieren und angemessene Qualität bieten.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2009)

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