Venezuela: Opposition bläst zum Sturm gegen Maduro

Die Demonstranten waren auf alles gefasst – und wappneten sich gegen das Großaufgebot von Polizei und Militär.
Die Demonstranten waren auf alles gefasst – und wappneten sich gegen das Großaufgebot von Polizei und Militär. (c) REUTERS
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Der Präsident mobilisierte alle Kräfte gegen die Demonstranten und aktivierte sogar einen Notfallplan. Doch das Oppositionsbündnis fühlt sich gestärkt – vom Unmut über die Wirtschaftskrise und vom Zuspruch aus Südamerika.

Buenos Aires/Caracas. Ehe in den meisten Städten Venezuelas die Gegner der Regierung auf die Straßen zogen, war der Mittwoch von beiden Konfliktparteien zum D-Day erklärt worden. „Es ist der Zeitpunkt des Kampfs“, rief Präsident Nicolás Maduro in einer TV-Ansprache. „Entscheidende Stunden für das Schicksal unserer Heimat sind angebrochen.“ Zuvor hatten Oppositionsführer einen nationalen Protesttag verkündet, die „Mutter aller Märsche“.

Das Oppositionsbündnis hatte das Datum für den Großprotest mit Bedacht gewählt: Am 19. April 1810 begann mit der Absetzung des spanischen Statthalters Venezuelas Rebellion gegen die spanischen Kolonialherren, die am 5. Juli 1811 in die Unabhängigkeit mündete.

Repression gegen Demos

Die Aufgabe, die sich die Opposition nun stellt, dürfte von vergleichbarem Ausmaß sein. Denn trotz der jahrelangen Versorgungskrise, trotz Rezession und Mega-Inflation und einer überbordenden Kriminalitätswelle, die Venezuela zum gefährlichsten Land des Kontinents hat werden lassen, konnte sich Maduro im Amt halten. Als willfährige Richter Ende März das Parlament auflösten, brach sich der zwischenzeitlich erlahmte Furor der Regierungsgegner neue Bahn.

Bereits fünf Protesttage veranstaltete die Opposition seit Anfang des Monats in der Metropole Caracas und mehreren Städten des Landes, und sie musste dabei eine stetig zunehmende Repression in Kauf nehmen. Mehrere junge Demonstranten wurden erschossen, und mindestens 30 Demonstranten wurden festgenommen, zusätzlich zu den 144 Regimegegnern, die schon vorher inhaftiert und zu teilweise hohen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Zuletzt versuchten Polizei und Nationalgarde, die Märsche schon zu deren Beginn zu unterbinden, indem sie die Demonstranten aus Hubschraubern mit Tränengas besprühten und Gummigeschosse abfeuerten, noch ehe sich ein Protestzug in Bewegung setzen konnte.

Weil sich die Opposition auch dadurch nicht von ihren Plänen für den Großaufmarsch am Mittwoch abbringen ließ, verstieg sich der Staatschef in den Tagen zuvor zu immer drastischeren Drohungen. Zunächst ordnete er den Einsatz der Streitkräfte am Mittwoch an. Dann befahl er der Miliz, bewaffneten regierungstreuen Bürgern, Bauern und Arbeitern, am Mittwoch zur Verteidigung der bolivarischen Revolution zur Verfügung zu stehen. Und schließlich aktivierte er den „Plan Zamora“, eine nationale Notfallstrategie zur Verteidigung des Landes vor dem Zerfall der inneren Ordnung. Gleichzeitig denunzierte Maduro einen angeblichen Umsturzversuch im Inneren der Streitkräfte und beschuldigte den Vorsitzenden des Parlaments, Julio Borges, einen Staatsstreich anzuzetteln. Die Justiz solle gegen den Oppositionspolitiker vorgehen.

Borges hatte am Dienstag die Regierungsgegner dezidiert zu friedlichem Protest aufgerufen und von der Regierung erneut verlangt, freie Wahlen zu ermöglichen. Die zu Ende des Vorjahres angesetzten Gouverneurswahlen wurden vom regierungsnahen nationalen Wahlrat auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Opposition befürchtet, dass sich dieses Vorgehen auch bei den 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen wiederholen könnte.

Nach einer endlosen Serie von Rückschlägen scheint die Opposition nun wieder gestärkt. Medikamentenmangel und Hunger in weiten Teilen der Bevölkerung tragen dazu ebenso bei wie der immer erbärmlichere Zustand der venezolanischen Volkswirtschaft, die zunehmende Repression und die exzessive Kriminalität.

Unterstützung aus Washington

Vor allem spüren Maduros Gegner erhebliche Rückendeckung aus dem Ausland. Am Montag forderte eine Gruppe elf lateinamerikanischer Länder, angeführt von Brasilien, Mexiko, Argentinien und Kolumbien, Venezuelas Regierung solle „das verfassungsmäßige Recht zu friedlichem Protest garantieren“. Auch wenn Venezuelas Außenministerin, Delcy Rodríguez, das Papier als Einmischung und „primitiv, vulgär und lächerlich“ bezeichnete, hat sich in der Vorwoche erstmals auch die neue US-Regierung dezidiert zu Venezuela geäußert hat. In einem Kommuniqué kritisierte das Außenministerium das 15-jährige Politikverbot gegen Oppositionsführer Capriles und forderte die Bürger zu friedlichen Demonstrationen auf. Der Slogan der Demonstranten lautete denn auch: „Die Angst hat ein Ende.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2017)

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