Der Taktgeber im Spitalswesen

Porträt. Traditionelle Krankenhäuser sind entlang ihrer Prozesse organisiert. Als Geschäftsführer zweier orthopädischer Spitäler stellt David Pötz so manchen Ablauf auf den Kopf.

Ein Umrührer will David Pötz (38) nicht sein. „Das Gesundheitswesen braucht keine Einzelhelden“, findet er. Die Rolle des Ermöglichers gefällt ihm schon besser: „Es braucht Empathie, Geduld und Verständnis für komplexe Systeme. Vorausschauen und Rahmenbedingungen schaffen, dass, wenn die Zeit reif ist, alles vorbereitet ist.“

David Pötz ist Geschäftsführer des Orthopädischen Spitals Speising (OSS) und des Herz-Jesu-Krankenhauses in Wien 3. Wie alle Häuser der Vinzenz-Gruppe berufen sie sich auf ihre christliche Ordensvergangenheit. Soll heißen: Hinwendung zum Patienten statt zur Technik, bei gleicher medizinischer Qualität. Als Konsequenz wird so mancher Ablauf auf den Kopf gestellt. Und dafür braucht es einen Betriebswirt.

Der Steirer Pötz hatte in Wien IBWL studiert. Über das Traineeprogramm der Wirtschaftskammer rutschte er in den Fachverband der Privaten Krankenanstalten, wechselte zum Krankenhausbetreiber Humanomed und leitete deren Ambulatorium und Bauprojekte der Privatklinik Döbling. 2009 warb ihn die Vinzenz-Gruppe ab.

Als er kam, stand „eine Riege sehr renommierter, sehr lang gedienter“ Primarärzte kurz vor der Pensionierung. Nicht nur der Generationenwechsel war zu bewältigen, es sollten auch die Profile der Abteilungen geschärft werden. Fast jährlich werden seither neue Fachbereiche gegründet, die Radiologie, die Abteilung für Akutgeriatrie und Remobilisation, die Zentralsterilisation und die OP-Kapazitäten erweitert.

Patient bestimmt Rehab-Dauer

Das alles genügte nicht, den steigenden Ansturm zu bewältigen. Aus Dänemark wusste Pötz, dass sieben Tage Spitalsaufenthalt nach Knie- und Hüftprothesenoperationen genügen. Warum dauert das in Österreich 17 Tage? „Wenn ich einem Patienten sage, dass er zwei Wochen im Spital bleiben wird, braucht er zwei Wochen, bis er fit ist. Wenn ich aber einem jungen Patienten am Montag sage, er wird am Donnerstag heimgehen können, ist er am Donnerstag so weit.“
Die Entscheidung fällt im Kopf, erkannte Pötz. Um sie herum organisierte er einerseits alle Abläufe neu, andererseits „vermenschlichte“ er sie.

Schon drei Wochen vor der OP findet nun eine Schulung statt, die dem Patienten Sicherheit vermittelt. In den Aufenthaltsbereichen zeigen Bildschirme Fotos, Namen und Aufgaben der Mitarbeiter. Nun weiß er, an wen er sich womit wendet. Ab der Aufnahme wird er begleitet. Gleich nach dem Aufwachen nach der OP hilft ihm ein Pfleger, seine private Kleidung anzuziehen. Im Kopf heißt das: Ich bleibe nicht im Bett liegen, ich stehe auf. Ab Tag eins trainiert er (ohne Drainagen, diese behindern die Mobilität) in wohnlichen Aufenthaltsräumen. Sobald er kann, verlässt er das Spital und ersetzt die stationäre Rehabilitation durch eine ambulante, drei Tage die Woche, vier Stunden am Tag.

„Wir lassen nichts weg“, versichert Pötz, „wir ordnen es nur anders an.“ Die dänischen sieben Tage hat er noch nicht geschafft. Er hält derzeit bei acht, neun Tagen, aber: „Wir arbeiten daran.“

Ärzte pilgern zum Patienten

In der Sonderklasse läuft gerade ein Pilotversuch für die OP-Vorbereitung. Oft pilgern Patienten von Arzt zu Arzt, um die nötigen Befunde einzuholen (um dann festzustellen, dass doch noch einer fehlt), oder warten lange in Ambulanzen. Nun werden sie in einen von vier Warteräumen eingebucht und dort von einem Arzt nach dem anderen aufgesucht. Orthopäde, Internist, Anästhesist und andere Spezialisten kommen jetzt zu ihm und geben einer nach dem anderen die OP-Freigabe. Nur zum Röntgen 50 Meter nebenan muss er selbst gehen. Nach vier Stunden ist er fertig, hat sich viele Wege erspart und zwischendurch sogar fernsehen können.
Schlägt das Konzept ein, will Pötz es ausweiten. „Wir sind die Taktgeber im Spitalswesen“, sagt er. Und diese Rolle gefällt ihm gut.

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