Markanter Stadtbaustein für 1000 Mitarbeiter

Die Mall der neuen Zentrale wird im Herbst eröffnet. Ein Zwischenbericht.

Klare Linien, helle Säulen, große Fenster: Der Rohbau der neuen Postzentrale am Rochusmarkt zeigt ein klares Konzept. Und – für jene, die schon einen Blick hineinwerfen konnten – viel Liebe zum Detail. Etwa die hellen runden Säulen, viel Holz im Altbau, kunstvoll ausgestaltete, begrünte Innenhöfe. Und die runden Ausnehmungen an der Fassade. Als schlichte Kühlung gedacht, geben sie dem Fassadenraster, dem bestimmenden Erkennungsmerkmal des „Stadtbausteins“, so Andreas Schenker vom Architektenteam Schenker Salvi Weber, das gewisse Etwas. 2014 begonnen, soll die neue Postzentrale im Juni fertiggestellt werden, die Büroräumlichkeiten können anschließend möbliert werden. Im September ist die Eröffnung der Shopping-Mall geplant, der Umzug der Post AG ist im vierten Quartal angesetzt.

Halt für den Ort

Mit dem Gebäudeensemble erschaffen Schenker Salvi Weber gemeinsam mit Feld72 eine Komposition, die Altbestand (mit denkmalgeschützter Fassade entlang der Rasumofskygasse) mit Neubau kombiniert, Arbeitsplatz mit Shopping-Mall, Unternehmenszentrale mit öffentlichen Wegen (etwa dem Durchgang vom Rochusmarkt zum Grete-Jost-Park). „Es ist nicht einfach ein Firmengebäude samt Einkaufsmöglichkeit, das für sich steht“, so Michael Obrist von Feld72. „Auch wenn sich Umstände verändern sollten, auch in 20, 30, 40 Jahren muss das Gebäude genau hierher passen. Daher haben wir darauf geachtet, dass es multifunktional genutzt werden kann. Wobei es natürlich ideal ist, wenn es in 100 Jahren immer noch funktioniert.“ Mit der auffälligen, starken Struktur und der vielfältigen Nutzungsmöglichkeit „wollen wir dem Ort einen Halt geben“, so Michael Salvi.

Offene Post, keine Kantine

Auf so bewegtem Boden eine gute Idee: Man baut ja auf Geschichte. Die Stadtarchäologen fanden in der Baugrube keltische und römische Artefakte, „zusammen, was in Wien einzigartig ist“, so die Leiterin Karin Fischer Ausserer. Frühneolithische Funde, etwa ein Langhaus, zeugen von frühester Besiedelung. Tausende Jahre später, genauer 1784, wurde hier der mittelalterliche Nikolaifriedhof samt Kirche geschliffen und der Augustinermarkt – benannt nach dem Kloster, das sich bis 1812 neben der Rochuskirche befand – errichtet. Das damals hochmoderne Vorgänger-Postgebäude löste um 1920 das barocke Palais Mesmer samt Parkanlage ab. Der Augustinermarkt blieb bis zum U-Bahnbau und wurde 1991 unter neuem, sich verändertem Sprachgebrauch angepasstem Namen als Rochusmarkt wiedereröffnet.

Nur die Kirche St. Rochus und Sebastian überstand die Zeiten unberührt. Von der neuen Post-Dachterrasse und den auf den Rochusmarkt ausgerichteten, (halb)offenen Arbeitsplätzen ist ihr Dachschmuck – Augustinus samt Mönchen – gut zu sehen. Aber nicht nur sie: Die großen, bodentiefen Fenster bringen den dritten Bezirk, und mit zunehmender Höhe immer mehr von Wien, ganz unmittelbar vor Augen. „Die Post soll sich dem Platz öffnen, der Markt eine Erweiterung erfahren“, erläutert Salvi. Obwohl die Ankündigung, dass ein Merkur-Markt in die Mall einziehen soll, kontrovers diskutiert wurde. „Natürlich wirkt das zuerst für die Marktstände als bedrohliche Konkurrenz“, so Salvi. Doch als Ergänzung – wer neben frischem Obst, Brot und einer Melange auf dem Markt auch noch ein Tragerl Bier, Mineralwasser oder anderes besorgen möchte, muss nicht weit gehen oder woanders hinfahren – sollte sich die Filiale bewähren. „Außerdem haben wir keine Kantine geplant“, erklärt Obrist. „Die mehr als 1000 Menschen, die hier ab Herbst zu arbeiten beginnen, werden den Markt sicher frequentieren und beleben.“

Atrium und Lichthöfe

Um den baulichen Altbestand zu integrieren, musste zuerst einmal dessen Statik überprüft und die Erschließung überdacht werden. „Mit Sandsäcken wurde ein Belastungstest vorgenommen, um die alten, acht Zentimeter dicken Stahlträger der Konstruktion zu prüfen“, erzählt Schenker. Sie bestanden den Test, und so musste nur verstärkt statt völlig entkernt werden. Und statt wie bisher vom „Hinterhof“ her betreten zu werden, wurde zwischen Alt und Neu ein Zwischenraum geschaffen: ein lichtdurchflutetes Atrium, in dem Brücken und Treppen (die beiden Teile haben unterschiedliche Raumhöhen) beide Teile verbinden und in dem in Zukunft auch (temporäre) Kunst ihren Platz finden wird. Zentraler Eingangsbereich der Postzentrale ist aber die Ecke Rochusmarkt/Rasumofskygasse – in der Fassade eindeutig an der Doppelhöhe der Träger zu erkennen. Hier werden Schalter der Post und der Bawag-PSK wie in anderen Filialen für die Öffentlichkeit bereitstehen. Über Treppe und Lift geht es hinauf in den privateren Bereich für (Kunden-)Gespräche.

Smarte Technik

Von hier aus gelangt man auch in den alten Teil, dessen Fußböden und Türen aus Eichenholz ehrwürdiges Ambiente vermitteln. Die Böden, die Decken und teils die Wände werden, wo möglich, geräuscharm und mit Kühlelementen wie im Neubau gestaltet, um den Arbeitsalltag akustisch angenehm und ohne spürbar luftzirkulierende „Mitarbeiterverkühlungsanlagen“ temperiert zu halten. Auch die Auswahl von Oberflächenstoffen bei Möbeln orientierte sich ganz bewusst an schallabsorbierenden Eigenschaften. Ganz oben findet im neu ausgebauten, holzverkleideten Dachgeschoß der Versammlungsraum der Post AG seinen Platz.

Im neuen Teil, der neben Eingangsbereich und Arbeitsplätzen vor allem rund 5000 m2 Shopfläche auf drei Geschoßen bietet, dominieren einheitliche, helle Geschäftsfassaden. Zwei ovale Lichthöfe, in denen (Roll-)Treppen für die Erschließung sorgen, bringen Tageslicht in die Mall, für eine geräuscharme Belieferung wurde im Erdgeschoß eine 400 m2 große Ladezone geschaffen, in der bis zu drei Lkw gleichzeitig be- und entladen werden können.

Der öffentliche Durchgang in den Grete-Jost-Park (benannt nach der Erdberger NS-Widerstandskämpferin) – er wird nach Fertigstellung der Bauarbeiten von den Baucontainern befreit und neu hergerichtet –, war von Anfang an ein wichtiger Punkt. So sollen sich die Passanten wohlfühlen und nicht fehl am Platz, weil sie nichts konsumieren. Doch wer oft durch Märkte geht, weiß, wie alle Planer auch: Einmal ist es doch so weit.

NEUE POSTZENTRALE

2013 schrieb die Österreichische Post AG EU-weit einen Wettbewerb für Sanierung und Neubau von Büro- und Geschäftsräumen für 1000 Mitarbeiter, Dienstleistungs- und Handelsflächen am Rochusmarkt im dritten Bezirk aus. Ziel: Ein kommunikationsförderndes,für den Standort optimiertes Gebäude. Aus mehr als 100 Bewerbungen wurde in einem zweiphasigen Wettbewerb das Passivhausprojekt der Architekturbüros Schenker Salvi Weber und feld72 gewählt, die auch für die Innengestaltung verantwortlich zeichnen. Im Juni soll der Bau fertiggestellt, bis September die Möblierung erfolgt sein. Danach eröffnet die Mall, Anfang Winter sollen die Post-Mitarbeiter einziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2017)

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