Der Vorstoß der Rechnungshofchefin, dem Nationalrat das Recht zur Selbstauflösung zu nehmen, wird von der Koalition als Kompetenzüberschreitung zurückgewiesen.
Wien. So schnell kann es gehen: Hatten die Koalitionsparteien zuletzt angeregt, dass man dem Bundespräsidenten das Recht nehmen soll, auf Antrag der Regierung den Nationalrat aufzulösen, geht die Debatte nun plötzlich in die umgekehrte Richtung.
Es solle nur noch der Bundespräsident den Nationalrat auflösen können, erklärte Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker. Und auch das nur in Ausnahmesituationen, während der Nationalrat sein Recht auf eine vorzeitige Auflösung ganz verlieren müsse. Neuwahldiskussionen sollen so künftig vermieden werden und Abgeordnete sich verstärkt auf ihre Arbeit konzentrieren.
Mehr hatte es nicht gebraucht, um die Koalition zu verärgern. „Der Rechnungshof ist ein Hilfsorgan des Parlaments“, konstatierte Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) nach dem Ministerrat. „Und ich halt es für gut, wenn sich alle nur zu den Themen äußern, die ihren originären Kompetenzbereich betreffen.“ Die Debatte um die Auflösungsrechte stünde nur dem Parlament selbst zu, ergänzte Drozda. Eine Meinung, der sich Staatssekretär Harald Mahrer, der nach dem Ministerrat für die ÖVP sprach, anschloss.
Die solcherart angesprochenen Klubchefs im Parlament, Reinhold Lopatka (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) signalisierten auch prompt, das Kraker hier ihre Kompetenz überschritten habe. Neuwahlen auszurufen sei Sache des Parlaments, der Rechnungshof hingegen solle alles tun, um das Parlament zu stärken und nicht durch derartige Aussagen zu schwächen, meinte Lopatka.
Kraker: System wird gehemmt
Er kritisierte damit Kraker, die von Lopatka bei der Wahl zur Rechnungshofchefin massiv unterstützt worden war. Die Neos und das Team Stronach begrüßten Krakers Vorstoß hingegen ausdrücklich.
„Unser politisches System wird durch diese permanenten Neuwahlspekulationen gehemmt“, hatte Kraker ihre Position argumentiert. Und in den „Vorarlberger Nachrichten“ und der „Tiroler Tageszeitung“ auch gefordert, dass die Legislaturperiode wieder von fünf auf vier Jahre reduziert wird, dafür aber eben ohne die Möglichkeit des Nationalrats, sich selbst aufzulösen. In einem Video auf Facebook legte Kraker am Dienstag nach: „Meine Aufgabe als Präsidentin des österreichischen Rechnungshofes ist es, Vorschläge zu machen, damit der Staat leistungsfähig bleibt“, sagte sie. Unter diesem Augenmerk müsse man ihren Vorschlag betrachten.
Auch wenn das Neuwahlgespenst zuletzt mehrfach in Koalitionskreisen gesichtet worden sein soll, werden derartige Gerüchte weiterhin offiziell zurückgewiesen. Im Regierungsalltag suchte die Koalition aber auch beim Ministerrat am Dienstag vergeblich einen Konsens zum Thema kalte Progression und der Job-Aktion 20.000. Damit kann der Plan der Regierung, diese Causen noch im April zu erledigen, nur noch schwerlich eingehalten werden. Laut Koalition gehe es aber nur mehr um Details.
Türken: FPÖ-Liste an Behörden
Ein Dauerbrenner bleibt das Staatsbürgerschaftsrecht. Die Regierung erklärte nach dem Ministerrat, bisher keine Listen mit türkisch-österreichischen Doppelstaatsbürgern zu haben. Drozda regte an, dem Bund zumindest eine Informationspflicht der Länder (die für den Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechts zuständig sind) an den Bund einzuführen. „Weil ich glaube, dass eine ausländische Regierung eher beeindruckt ist, wenn ein Minister statt eines Bezirkshauptmanns auftritt.“
Die FPÖ erklärte am Dienstag, eine türkische Wählerevidenzliste mit 46.000 Namen zugespielt bekommen zu haben. Sie will sie nun Behörden zur Enttarnung illegaler Doppelstaatsbürger übermitteln.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2017)