Neuwahldebatte: Parlament will sich auflösen können

ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP, 2. v. l.) und SPÖ-Minister Thomas Drozda (2. v. r.) finden, dass sich der Rechnungshof zu weit aus dem Fenster lehnt.
ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP, 2. v. l.) und SPÖ-Minister Thomas Drozda (2. v. r.) finden, dass sich der Rechnungshof zu weit aus dem Fenster lehnt. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Der Vorstoß der Rechnungshofchefin, dem Nationalrat das Recht zur Selbstauflösung zu nehmen, wird von der Koalition als Kompetenzüberschreitung zurückgewiesen.

Wien. So schnell kann es gehen: Hatten die Koalitionsparteien zuletzt angeregt, dass man dem Bundespräsidenten das Recht nehmen soll, auf Antrag der Regierung den Nationalrat aufzulösen, geht die Debatte nun plötzlich in die umgekehrte Richtung.

Es solle nur noch der Bundespräsident den Nationalrat auflösen können, erklärte Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker. Und auch das nur in Ausnahmesituationen, während der Nationalrat sein Recht auf eine vorzeitige Auflösung ganz verlieren müsse. Neuwahldiskussionen sollen so künftig vermieden werden und Abgeordnete sich verstärkt auf ihre Arbeit konzentrieren.

Mehr hatte es nicht gebraucht, um die Koalition zu verärgern. „Der Rechnungshof ist ein Hilfsorgan des Parlaments“, konstatierte Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) nach dem Ministerrat. „Und ich halt es für gut, wenn sich alle nur zu den Themen äußern, die ihren originären Kompetenzbereich betreffen.“ Die Debatte um die Auflösungsrechte stünde nur dem Parlament selbst zu, ergänzte Drozda. Eine Meinung, der sich Staatssekretär Harald Mahrer, der nach dem Ministerrat für die ÖVP sprach, anschloss.

Die solcherart angesprochenen Klubchefs im Parlament, Reinhold Lopatka (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) signalisierten auch prompt, das Kraker hier ihre Kompetenz überschritten habe. Neuwahlen auszurufen sei Sache des Parlaments, der Rechnungshof hingegen solle alles tun, um das Parlament zu stärken und nicht durch derartige Aussagen zu schwächen, meinte Lopatka.

Kraker: System wird gehemmt

Er kritisierte damit Kraker, die von Lopatka bei der Wahl zur Rechnungshofchefin massiv unterstützt worden war. Die Neos und das Team Stronach begrüßten Krakers Vorstoß hingegen ausdrücklich.
„Unser politisches System wird durch diese permanenten Neuwahlspekulationen gehemmt“, hatte Kraker ihre Position argumentiert. Und in den „Vorarlberger Nachrichten“ und der „Tiroler Tageszeitung“ auch gefordert, dass die Legislaturperiode wieder von fünf auf vier Jahre reduziert wird, dafür aber eben ohne die Möglichkeit des Nationalrats, sich selbst aufzulösen. In einem Video auf Facebook legte Kraker am Dienstag nach: „Meine Aufgabe als Präsidentin des österreichischen Rechnungshofes ist es, Vorschläge zu machen, damit der Staat leistungsfähig bleibt“, sagte sie. Unter diesem Augenmerk müsse man ihren Vorschlag betrachten.

Auch wenn das Neuwahlgespenst zuletzt mehrfach in Koalitionskreisen gesichtet worden sein soll, werden derartige Gerüchte weiterhin offiziell zurückgewiesen. Im Regierungsalltag suchte die Koalition aber auch beim Ministerrat am Dienstag vergeblich einen Konsens zum Thema kalte Progression und der Job-Aktion 20.000. Damit kann der Plan der Regierung, diese Causen noch im April zu erledigen, nur noch schwerlich eingehalten werden. Laut Koalition gehe es aber nur mehr um Details.

Türken: FPÖ-Liste an Behörden

Ein Dauerbrenner bleibt das Staatsbürgerschaftsrecht. Die Regierung erklärte nach dem Ministerrat, bisher keine Listen mit türkisch-österreichischen Doppelstaatsbürgern zu haben. Drozda regte an, dem Bund zumindest eine Informationspflicht der Länder (die für den Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechts zuständig sind) an den Bund einzuführen. „Weil ich glaube, dass eine ausländische Regierung eher beeindruckt ist, wenn ein Minister statt eines Bezirkshauptmanns auftritt.“

Die FPÖ erklärte am Dienstag, eine türkische Wählerevidenzliste mit 46.000 Namen zugespielt bekommen zu haben. Sie will sie nun Behörden zur Enttarnung illegaler Doppelstaatsbürger übermitteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Strache: FPÖ lebt "Äquidistanz" zu beiden Regierungsparteien

Vieles spreche dafür, dass die Nationalratswahl erst zum regulären Wahltermin "Ende 2018" stattfinden wird, betont der FPÖ-Chef. Man sei aber auf alles vorbereitet.
Innenpolitik

Mikl-Leitner: Nationalratswahl im Frühjahr 2018 ein "Risiko"

Im Frühjahr wird in Niederösterreich gewählt, warnt Landeshauptfrau Mikl-Leitner. Denn: "Bei einer Zusammenlegung geht das auf Kosten der Nationalratswahl."
Innenpolitik

Mitterlehner: Neuwahl bei ÖVP-Vorstand "informell" Thema

Die ÖVP-Gremien hätten sich nicht auf vorgezogene Neuwahlen festgelegt, betont der Vizekanzler. Über einen vorgezogenen Urnengang habe man aber gesprochen.
Archivbild: Mitterlehner und Kurz
Innenpolitik

ÖVP-Rufe nach Neuwahl im Herbst werden immer lauter

Im Parteivorstand des kleineren Regierungspartners hat sich, wie die "Presse" in Erfahrung brachte, eine Mehrheit für ein Vorziehen des Urnengangs um ein Jahr ausgesprochen. Die Landeshauptleute Schützenhöfer und Stelzer sind für ein Auslaufen der Gesetzgebungsperiode bis 2018.
ARCHIVBILD: RECHNUNGSHOF: KRAKER MIT KOALITIONSMEHRHEIT NOMINIERT
Innenpolitik

"Warum sollte die Rechnungshof-Präsidentin einen Freibrief haben?"

Margit Kraker solle sich um ein Mandat im Nationalrat bemühen, wenn sie Legislaturperioden ändern bzw. vorgezogene Neuwahlen verbieten wolle, kritisiert der SPÖ-Abgeordnete Wolfgang Knes.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.