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Andy Leomar: "Strawinski ist groovig, cool"

Gangleader. "Wir sind nicht wahnsinnig experimentell." Andy Leomar will junge Menschen zur Musik bringen.
Gangleader. "Wir sind nicht wahnsinnig experimentell." Andy Leomar will junge Menschen zur Musik bringen.Michael Duerr
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Fusion von Klassik und Club: Andy Leomar, Komponist und Dirigent der Symphoniacs, hält nichts von billigem Cross-over. Junge Musiker müssen Korsette sprengen wie früher DJs.

Wenn die Symphoniacs zeitgenössischer Musik mit Geige und Celli begegnen, dann machen sie nicht bloß ein paar Schubladen auf, dann ist das nicht bloßes Cross-over. Es ist ein ernst gemeinter Versuch, Klassik und Dancemusic-DJ-Kultur ein Stück weit zusammenzubringen und Parallelen aufzuzeigen. Das international besetzte Ensemble arrangiert Songs von Daft Punk bis Coldplay mit klassischen, akustischen Instrumenten um, schraubt an Kompositionen von Bach und Vivaldi, inszeniert und improvisiert. Am 2. Mai gastiert die ständig wechselnde Formation im Wiener Museumsquartier. Im Interview spricht Mastermind Andy Leomar, der übrigens aus Österreich stammt, über coole Jungs, den Groove der Klassik und den Charme von Hitmelodien.

Aus Klagenfurt gebürtig haben Sie in Wien klassisches Klavier und Tonmeister studiert. Was war Ihr ursprüngliches Berufsziel?
Andy Leomar: Trotz meiner innigen Liebe zur Klassik wollte ich von Beginn an soundmäßig etwas Jüngeres machen. Remixen und Musik zu produzieren hat mich immer schon interessiert.

Wie sind Sie es angegangen?
Zunächst habe ich in München und Los Angeles viel im Dance- und Clubbereich gemacht. Danach ging ich nach Berlin und habe allerlei ausprobiert. Mein Ziel war es, die Elektronik in die Popmusik hineinzubringen.

Was haben Sie in den USA konkret gemacht?
In L. A. hab ich mit ein paar Filmkomponisten zusammengearbeitet, die genau nach diesem Soundhybrid gesucht haben. Filmmusik ist ja stark in der klassischen Tradition verwurzelt. Die wollten klassische Anmutung und elektronische Sounds gleichzeitig. Da spielte ich Keyboards, Synthesizer und Drum Machines, um den hippen, jungen Faktor beizusteuern.

Ist es dieser Zwiespalt zwischen Klassik und der modernen Welt, der sie zu Ihrer Musik inspiriert hat?
Auf jeden Fall. Diesen Zwiespalt müssen die klassischen Musiker, mit denen wir arbeiten, ertragen. Einerseits arbeiten sie hart daran, dass sie auf ihrem Instrument Virtuosität erreichen, andererseits sind sie auch coole Jungs, die privat einen modernen Lifestyle haben. Bei den Symphoniacs können sie ihre andere Seite ein wenig ausleben.

Wie und wann ist Ihnen dieses Konzept eingefallen?
Da ich selbst diesen Zwiespalt immer schon in mir getragen habe, war es logisch, dass ich einmal Fusion versuchen will. Für mich ist es höchst reizvoll, die sehr weit auseinanderliegenden Genres miteinander zu verbinden, ohne auf billiges Cross-over zu schielen. Ich bin ein großer Fan von Daft Punk und The Weeknd (sic!). Meine Frage war, wie denn das klingt, wenn man es auf akustischen Ins-trumenten wie Klavier, Geigen und Celli spielt, die für die Klassik stehen. Daraus ist etwas Tolles entstanden. Unsere Herangehensweise mit unterschiedlichen Spieltechniken und den klassischen Interpretationsmöglichkeiten sorgt dafür, dass es klingt wie ein Live-Remix. Es taugt unseren Musikern, dass sie auf diese andere Art mit ihrem Instrument musizieren können.

Was halten Sie von der Yellow Lounge?
Die transportiert eine ähnliche Botschaft. Ich war einmal auf einer dieser Veranstaltungen in der Kantine im Berghain. Schöne Sache, wenn junge Leute zu Strawinski tanzen. Es gibt bei Strawinski
verdammt groovige, coole Sequenzen, die man durchaus ausbauen kann.

War Friedrich Gulda, der schon in den frühen Neunzigerjahren mit DJ Pippi versuchte, Klassik und DJ-Kultur zusammenzubringen, ein Pionier?
Ich habe sowohl mit Friedrich als auch mit seinem Sohn Paul Klavier gespielt und fand es natürlich hervorragend. Er hat Klassik und Jazz gemischt und später eben mit Ibiza-Sound.

Worum geht es Ihnen bei Symphoniacs?
Darum, dass junge Musiker ihr Können außerhalb des jeweiligen Korsetts von Klassik oder Popmusik zeigen können. Bei den DJs war es früher einfacher zu zeigen, worum es ging. Da gab es Scratch-Konteste und so Sachen. Heute sieht man sie nur mehr an zwei Knöpfen drehen, ihre musikalischen Kenntnisse bringen sie vorher in den Sound ein.

Die Auswahl Ihrer Stücke ist aber größtenteils ziemlich an den Hitparaden orientiert. Warum?
Weil es noch nie auf diese Art gemacht worden ist. Wahnsinnig experimentell sind wir nicht. Wir gehen eher einen Weg des Mainstreams. Die jungen Leute lieben diese Musik und wir finden es halt cool, einer Avicii- oder Martin-Garrix-Nummer mit den klassischen Instrumenten einen neuen Touch zu verpassen und dabei zu zeigen, dass hinter Hitparadennummern musikalisch gute Ideen stehen. Heute sind die DJs die Popstars. Früher waren es ein Vivaldi und ein Mozart, die sehr rhythmisch und cool, vielleicht auch ein wenig rebellisch waren. Ich sehe da durchaus Parallelen.

Geht es Ihnen nicht auch darum, das breite Publikum zu erreichen?
Natürlich. Es ist eine schöne Mission zu zeigen, die Jungs sehen cool aus, könnten eine Electro-Rockband sein. Doch statt mit Gitarren kommen sie mit Celli und Geigen. Vielleicht motiviert das ja junge Menschen, ein klassisches Instrument zu erlernen.

Wie rekrutieren Sie Ihre Musiker?
Ich habe auf diversen elektronischen Plattformen gesucht sowie in Orchestermagazinen annonciert und danach Auditions in Berlin gemacht. Nicht alle mussten nach Deutschland reisen. Ein paar haben wir uns via Skype angehört. Es haben sich wahnsinnig viele beworben, darunter waren einige, mit denen ich sofort auf einer Wellenlänge war. Die müssen sich nicht verbiegen, um das zu machen, sondern freuen sich, eine Seite in ihnen hervorzulocken, die sonst verborgen bliebe. Wichtig war mir natürlich, dass alle Musiker ihre klassische Karriere weiterhin verfolgen.

Wirft diese edle Haltung nicht Probleme auf?
Nein. Weil wir jetzt mit einem Pool von Musikern arbeiten statt mit einer festen Besetzung. Das macht es zusätzlich spannend, weil jedes Konzert eine neue Dynamik aufweist. Die Konkurrenzsituation unter den Musiker ist aber eine entspannte, humorvolle. Es ist eher ein Wetteifern.

Was gibt es an Showelementen?
Wir arbeiten mit einer famosen Berliner Veejay-Truppe namens Die Pfadfinderei. Die machen sehr coole, visuelle Effekte, etwa auch bei den Bühnenshows von Moderat. Wir spielen ja viel in klassischen Häusern wie etwa der Münchner Philharmonie. In Wien konzertieren wir im Museumsquartier. All diese Räume werden sich dank LED-Wall, Laser und Lightshow wie ein cooler Club anfühlen.

Wie wird die Dramaturgie sein?
Zunächst gibt es die klassischen Momente, in denen es emotional und leise ist. Hier wird die Kraft der Stille zelebriert. Am Ende folgt ein cooles DJ-Set, zu dem die Musiker improvisieren.

Es gibt in der Klassik ja auch so etwas wie Hitmelodien. Funktionieren diese nach den gleichen Grundgesetzen wie Pop-Hits?
Ja. Alles, was emotional berührt, weist Ähnlichkeiten in der Struktur auf. Heute leben wir im digitalen Zeitalter und sehnen uns doch manchmal nach dieser Langsamkeit und nach diesem Organischen, das die Klassik repräsentiert.

Wird live auf Bühne improvisiert?
Klar. Die Grundarrangements sind von mir, aber wir experimentieren permanent. Da werden auch am Instrument Grenzen ausgelotet, so wie es vielleicht schon Paganini getan hat. Es wird Ausflüge in die pure Klassik geben, begleitet von modernen Visuals, und am Ende ein DJ-Set, bei dem es mehr ums Rhythmische gehen wird.

Tipp

Klassik trifft Pop. Die Symphoniacs gastieren am 2. 5. im Museumsquartier, Album bei Polydor. Mitmachaktion für klassische Musiker über #bepartofsymphoniacs. Hochschulen und die Wiener Musikuni unterstützen das Projekt. www.symphoniacs.com

("Kultur Magazin", Print-Ausgabe, 14.4.2017)

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