Homo-Ehe: "Viele homosexuelle Paare sind stinkkonservativ“

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Homo-Ehe: "Viele homosexuelle Paare sind stinkkonservativ“(c) Die Presse.com (Maria Kronbichler)
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Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda spricht mit "DiePresse.com" über den "kinderfeindlichen" Entwurf für die Homo-Ehe und den "fundamentalistischen Kreis" in der ÖVP.

In die Diskussion um die "Homo-Ehe" ist zuletzt Bewegung gekommen. Das Justizministerium hat einen Entwurf für eine eingetragene Partnerschaft vorgelegt, Ministerin Bandion-Ortner strebt einen Beschluss im Ministerrat am 17. November an. Die SPÖ hat dem Entwurf aber noch nicht zugestimmt. Sie will, dass die Partnerschaft am Standesamt geschlossen werden kann. Im Entwurf ist das nicht vorgesehen.

Besonders scharf ist der Entwurf vom Rechtskomitee Lambda und deren Präsident Helmut Graupner kritisiert worden. Im Interview mit "DiePresse.com" erklärt er, warum.

Inhaltsverzeichnis

Seite 1: „Viele homosexuelle Paare sind stinkkonservativ“
Seite 2: „Zuwanderer haben Werte zu akzeptieren“

DiePresse.com: Sie haben den Entwurf des Justizministeriums für die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle scharf kritisiert, von „sexueller Rassentrennung" gesprochen. Die Homosexuellen-Initiative Wien (Hosi) hingegen zeigt sich recht zufrieden. Wer vertritt hier die Mehrheitsmeinung unter den Homosexuellen?

Helmut Graupner: In den letzten Tagen hat sich aufgrund des Entwurfs spontan die Protest-Initiative „Erstklassige Rechte" entwickelt. Auf der Homepage der Initiative sieht man die lange Liste der Homosexuellen-Organisationen, Einrichtungen, Lokale usw., die mitmachen. Da sind praktisch alle dabei - bis auf die Hosi Wien.

Ich kann die Haltung der Hosi Wien nicht einmal damit erklären, dass die Hosi Wien sehr SPÖ-nahe ist, weil noch nicht einmal die SPÖ selbst dem Entwurf zugestimmt hat und insbesondere nicht der Regelung, dass man vom Standesamt verbannt ist. Das heißt, hier hat sich die Hosi Wien auf eine Ebene mit dem katholischen Familienverband begeben und sich sogar von der SPÖ-Position weit entfernt. Darum sind wir auch so erschüttert über die Position der Hosi, die gleich sagt: „Das ist wunderbar". Noch dazu, wo man die Begleitgesetze noch gar nicht kennt. Es gibt bisher den Entwurf des Justizministeriums, der hat allein schon 34 Abweichungen zum Eherecht.

Ist die fehlende Möglichkeit der Eintragung am Standesamt der wichtigste Kritikpunkt an dem Entwurf?

Graupner: Das wichtigste ist die inhaltliche Gleichstellung - dass wir die gleichen Rechte und Pflichten haben. Auch da ist die Position der Hosi Wien anders. Wir sagen, wir können uns keine Rosinen herauspicken. Wir können nichts Besseres verlangen als Heterosexuelle. Die Hosi Wien will hingegen das aus ihrer Sicht „Unangenehme", wie Scheidungsrecht und Unterhaltspflichten, nicht.

Sie haben 34 Abweichungen erwähnt. Was sind die gravierendsten?

Graupner: Rein symbolisch wichtig - wie das Standesamt - ist die Frage der Altersgrenze. Die Ehe kann ab 16 geschlossen werde, wenn Gericht und Eltern zustimmen. Bei der eingetragenen Partnerschaft will man das bewusst nicht machen, hier gilt ausnahmslos eine Grenze von 18 Jahren. Das ist eine Ungleichbehandlung, die deswegen besonders schwer wiegt, weil sie das alte Vorurteil bedient und in Gesetzesform gießt, dass Homosexualität jugendgefährdend ist. Das kann ganz gefährliche Auswirkungen in der Jugendarbeit haben.

Ein weiterer Punkt sind die Scheidungsmöglichkeiten. Bei der eingetragenen Partnerschaft soll es eine leichtere Auflösungsmöglichkeit geben, wenn einer der Partner die Auflösung möchte und der andere nicht. Dieser Unterschied soll bei besonderen Härtefällen gelten. Warum soll der eingetragene Partner in solchen Härtefällen weniger schutzbedürftig sein als ein Ehepartner?

Besonders praktisch bedeutsam ist auch der Bereich des Fremdenrechts - da wird entschieden, ob Menschen wirklich eine Partnerschaft führen dürfen oder in unterschiedlichen Ländern getrennt leben müssen.

Der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner hat gesagt, Homosexuelle hätten ohnehin kein großes Interesse an der Ehe. Zitat: "Denn wer sich liebt, der liebt sich, da braucht man keine Paragrafen dazu."

Graupner: Ich weiß nicht, woher er seine tieferen Kenntnisse in dem Bereich hat (lacht). Aber man sieht an dem Aufschrei, den es jetzt unter Homosexuellen gibt, dass es sehr wohl ein Interesse an der Ehe gibt. Auch für die Leute, die jetzt nicht heiraten wollen, ist es wichtig, dass sie das Recht dazu haben. Es gibt aber auch sehr viele homosexuelle Paare, die wirklich gerne heiraten möchten. Sie würden nicht glauben, wie viele homosexuelle Paare es gibt, die ganz traditionelle Lebensentwürfe haben, und die in Wahrheit stinknormal und stinkkonservativ sind.

Kritiker der Öffnung der Ehe argumentieren, dass die Ehe der Zeugung von Kindern dient. Daher gebe es kein staatliches Interesse an der Homosexuellen-Ehe.

Graupner: Wir sind für die Öffnung der Ehe, für uns gibt es keinen Grund für das Eheverbot. Das Argument für das Verbot, dass homosexuelle Paare keine Kinder zeugen können, ist Unsinn. Selbst die katholische Ehe war nie auf Personen beschränkt, die Kinder zeugen können oder wollen. Wenn die Ehe nur von Personen, die selbst Kinder zeugen können, geschlossen werden kann, dann dürfte eine Frau nach dem Wechsel nicht heiraten, dann dürften Unfruchtbare nicht heiraten, und es dürfte keine Ehe am Sterbebett und keine Josefsehe geben. Wenn ich all das aber zulasse, warum sollen dann zwei Frauen oder Männer nicht heiraten dürfen?

Glauben Sie, dass die Politik bei der Gleichstellung der Gesellschaft hinterherhinkt?

Graupner: Die Politik hinkt weit hinter der Bevölkerungsmeinung her. Laut Umfragen sind ca. 75 Prozent für die eingetragene Partnerschaft mit gleichen Rechten und Pflichten. Sogar für die Öffnung der Ehe ist fast die Hälfte. Bei der Adoption von Kindern durch Homosexuelle gehört Österreich zu den Ländern, die am meisten Zustimmung in der Bevölkerung haben. Dabei denken die Meisten bei dem Thema wohl an die Adoption von fremden Kindern. Viel häufiger kommt vor, dass das Kind eines Partners adoptiert wird. Das soll jetzt nach dem Entwurf den Stiefkindern auch vorenthalten werden. Das ist in Wahrheit ein kinderfeindlicher Entwurf. Er verweigert den Kindern, die in Regenbogenfamilien leben, Rechte wie Unterhalt und Erbrechte.

Warum hinkt die Politik hinterher?

Graupner: Es sind im Wesentlichen zwei Parteien: Die ÖVP und die Post-Haider-FPÖ. Die ÖVP war immer in der Regierung und konnte damit blockieren. In der ÖVP gibt es mittlerweile auch liberalere Kräfte, aber ein fundamentalistischer Kreis blockiert das Ganze. In der Perspektivengruppe vor zwei Jahren hat man sich auf die eingetragene Partnerschaft ausdrücklich am Standesamt und nach Schweizer Modell festgelegt - das wären gleiche Rechte und Pflichten. Der damalige Parteichef Molterer hat gesagt: „Das ist umzusetzen". Jetzt heißt es auf einmal, das wird doch nicht umgesetzt. Die liberalen Kräfte in der ÖVP scheinen zu scheitern.

Wen sehen Sie in dem angesprochenen „fundamentalistischen Kreis" in der ÖVP?

Graupner: Beim Thema Eintragung am Standesamt sind das Abgeordnete, die auch Bürgermeister von Gemeinden am Land sind. Auf die wird immer wieder hingewiesen, wenn man mit ÖVP-Politikern spricht. Aber warum gibt man dann die Abstimmung im Parlament nicht frei? Diese Bürgermeister können dann ja dagegen stimmen. Warum sollen diese paar Abgeordneten alles blockieren und einer Bevölkerungsgruppe ihre Menschenrechte vorenthalten?

Und in welcher Gruppe sehen Sie VP-Chef Josef Pröll?

Graupner: Pröll hat sich mit der Perspektivengruppe ganz klar für das Schweizer Modell positioniert, mit Eintragung am Standesamt. Ich gehe davon aus, dass er nicht wortbrüchig wird. Die Frage ist nur, wie weit er sich in der Partei durchsetzen kann.

Die Hosi Wien hat dazu gesagt, dass die ÖVP mit dem derzeitigen Entwurf ohnehin schon ein ziemliches Stück über ihren Schatten gesprungen sei. Für Sie ist die ÖVP offenbar noch nicht weit genug gesprungen.

Graupner: Ich erwarte von der Partei nur, dass sie das umsetzt, was sie schon selber 2007 in der
Perspektivengruppe beschlossen hat. Jetzt hinter diese Mindestlatte, die sich die ÖVP selbst gesetzt hat, zurückzugehen - das ist eine Provokation.

Zur Person

Helmut Graupner ist Präsident des Rechtskomitee Lambda, einer Organisation, die sich für die Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen einsetzt. Graupner ist außerdem Rechtsanwalt in Wien.

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