Katastrophenfilm 2012: Altmodische Apokalypse

2012 oder Apokalypse made by Hollywood
2012 oder Apokalypse made by Hollywood(c) Sony
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Roland Emmerichs neuer Weltuntergang, völlig frei von Ironie; Cusack und Harrelson strafen diesmal die Gegenwart ab. Ab Freitag im Kino.

Krach, rums, schepper! Das wäre ein schöner Titel für die Roland-Emmerich-Biografie, die erst noch geschrieben werden muss. Denn die Filme und damit auch die Fantasiewelt des 53-jährigen Schwaben haben sich ganz und gar der tricktechnisch perfekten Weltenzerstörung verschrieben. Vor allem in der gehobenen Presse kommt die Emmerich-Formel nicht gut an, seine Filme werden verspottet und verhöhnt: Die Gegenwart hat kein Herz mehr für altmodische Träumer.

Wie verankert der Deutsche im Zeitalter der ironiefreien Hollywood-Filme ist, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf seine Biografie: In den Siebzigern schreibt er sich für den Studiengang „Produktionsdesign“ an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen ein, wechselt aber in das Hauptfach „Regie“ nachdem er 1977 George Lucas' Weltraum-Seifenoper Krieg der Sterne sieht. Die unschuldige Faszination, die er beim Betrachten von Luke Skywalkers Abenteuern und den auf die Leinwand gehexten fremden Welten empfunden hat, steckt nach wie vor im Kern seines eigenen filmischen Schaffens. Emmerich ist – wie Lucas, aber ungleich Spielberg – kein begabter Geschichtenerzähler.

Sein neuer Film, 2012 – das Drehbuch stammt von Emmerich und dem Vorarlberger Harald Kloser, der auch die Filmmusik komponiert hat –, nimmt seinen Ausgang in einem glaubwürdig formulierten Krisenszenario: Der Regierungswissenschaftler Adrien Helmsley (perfekt besetzt: Chiwetel Ejiofor) erfährt von indischen Kollegen – von wem sonst? – von den katastrophalen Auswirkungen einer gewaltigen Sonneneruption. Die dabei freigesetzten Neutrinos erhitzen den Erdkern so stark, dass die Erdkruste schmilzt und die daraufliegenden Landmassen in Bewegung geraten.

Maya-Kalender endet am 21.12.2012

In der Emmerich'schen Praxis sieht dieses Szenario folgendermaßen aus: Los Angeles wird vom Erdboden verschluckt, der Supervulkan unter dem Yosemite-Nationalpark bricht aus, Hawaii verwandelt sich in eine Feuerinselkette, und eine gigantische Flutwelle schwappt über die Gipfel des Himalaja-Gebirges hinweg. „Ich dachte, wir haben mehr Zeit“, sagt Helmsley, als er die ersten Anzeichen des Weltuntergangs wahrnimmt.

Ein Blick in den Maya-Kalender hätte ihm geholfen: Denn der endet exakt am 21.Dezember 2012. Ein Umstand, der Populärwissenschaftler und Scharlatane bereits seit Jahren dazu animiert, halbseidene Thesen vom Ende der Welt zwischen zwei Buchdeckel zu pressen und für 20Euro zu verkaufen. Aber obwohl Emmerichs Film das Jahr 2012 im Titel führt und die Vermarktungskampagne ganz auf den Maya-Schmäh setzt, rekurriert der finale Film kaum auf „das wichtigste Datum in der Menschheitsgeschichte“. Lediglich Fernsehreporter weisen auf den antiken Kalender hin, während hinter ihnen die Stadt der Engel zur Hölle fährt.

Emmerich geht es, wie schon in seinen anderen Katastrophenfilmen Independence Day (1996) und The Day After Tomorrow(2004), um etwas anderes: In seinem Kino geht die Welt nur unter, um einen Erneuerungsprozess einzuleiten. Die marode Gegenwart wird abgestraft und verschlungen: Die überschaubare Zahl von Überlebenden ist die Basis für eine neue, eine bessere Gesellschaft. Unter ihnen ist auch Jackson Curtis (gut: John Cusack), ein erfolgloser Romanautor, der im Yellowstone-Nationalpark von einem verrückten Propheten (großartig: Woody Harrelson) vor der Apokalypse gewarnt wird und deshalb seine Patchworkfamilie gerade noch rechtzeitig (soll heißen: es gibt eine spektakuläre, fünfminütige Flucht) aus Los Angeles retten kann.

Mit einer geheimnisvollen Landkarte machen sie sich auf die Suche nach einem ominösen Regierungsprojekt: Im Auftrag von Präsident Thomas Wilson (staatstragend: Danny Glover) und einem internationalen Bündnis sind in Nordchina mehrere Archen errichtet worden, die dem von den Wissenschaftlern prognostizierten Szenario standhalten und so mehreren hunderttausend Menschen das Überleben ermöglichen sollen.

Elite kontra Bürgermeute

Entgegen allen Vorurteilen ist Emmerich ein politisch aktivierter Filmemacher. Schon in seinem Debüt Das Arche Noah Prinzip (1984) lässt er die Supermächte USA und UdSSR um einen Satelliten streiten, der friedlich im All schwebt, aber auch zu einer Vernichtungswaffe umfunktioniert werden kann. In The Day After Tomorrow flüchtet ganz Nordamerika vor der durch den Klimawandel ausgelösten neuen Eiszeit – und findet ausgerechnet in Mexiko Zuflucht.

2012 kritisiert jetzt ganz offensiv die von den Weltregierungen ausgetüftelte Rettung weniger Rettungswürdiger (Politiker, Künstler, Milliardäre, Wissenschaftler) und die gleichzeitige Verdammung aller anderen – und entwirft die Utopie einer Havarie der Archen durch eine aufgebrachte Bürgermeute. Emmerich macht durchaus revolutionäres Kino: nicht nur tricktechnisch, sondern auch erzählökonomisch. Seine Figuren werden nicht mehr eingeführt: Sie sind einem sofort bekannt, weil sie Wiedergänger aus anderen Filmen sind, weil man sie schon Dutzende Male begleitet hat. Man kennt ihre Geschichten, ohne dass sie einem erzählt werden müssten. 2012 kann es sich deshalb leisten, ihre Erlebnisse auf Entscheidungssituationen wie „Entweder ich rette das Kind oder mich selbst!“ zusammenzustauchen.

Nische für naives Autorenkino

Emmerich huldigt in seinem Werk dem klassischen Blockbuster-Kino, das ihn zum Regisseur werden ließ: 2012 weist keine schicken ironischen Brechungen und keine postmodernen Dreher in der Handlung auf, wirkt trotz all der avantgardistisch anmutenden Zerstörungs-Trickaufnahmen und der Geräusch-Kakofonie anachronistisch und altmodisch. Vielleicht wird das Kino von Roland Emmerich deshalb gern als plump, vulgär und peinlich wahrgenommen. Der Schwabe bringt seine Film-Träume so pur, naiv und aufrichtig, also mit dem Wesen eines spielenden Kindes, auf die Leinwand, wie niemand sonst im ausgekühlten Hollywood der Gegenwart. Damit hat er sich eine eigene Nische im zeitgenössischen Autorenkino geschaffen. Und das vollkommen zu Recht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2009)

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