SPÖ-Parteitag: Das rote Gemetzel zu Wien

 Parteichef Michael Häupl
Parteichef Michael HäuplAPA (HERBERT P. OCZERET)
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Der rote Parteitag von Michael Häupl wurde zu einem Desaster mit Stimmenstreichung von bis zu 35 Prozent.

Angekündigte Revolutionen finden manchmal doch statt, um dann förmlich in einem Gemetzel zu enden. Diese Erfahrung musste die rote Führungsspitze rund um Bürgermeister Michael Häupl am Samstag machen. Bei dem Landesparteitag der in Flügelkämpfe verstrickten Wiener SPÖ löste sich der vereinbarte Waffenstillstand völlig auf. Als Folge hagelte es herbe Stimmenstreichungen für alle roten Spitzenfunktionäre, wie es sie in der Geschichte der wichtigsten Landespartei der österreichischen Sozialdemokratie noch nie gegeben hat: Bürgermeister Michael Häupl stürzte auf 77 Prozent Zustimmung ab. Das entspricht einem Minus von fast 20 Prozentpunkten gegenüber seinem Wahlergebnis am Parteitag 2015. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der von den kritischen, bevölkerungsreichen Flächenbezirken als Häupl-Nachfolger forciert wird, wurde vom linken Parteiflügel auf 67,8 Prozent gestrichen – was einem Minus von 21,8 Prozentpunkte gegenüber 2015 entspricht. Damit lag er nur knapp vor Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (67,5 Prozent).

Kathrin Gaal, SP-Chefin des Flächenbezirks Favoriten verlor (überraschend) nur leicht auf 81,2 Prozent; Ruth Becher, Parteichefin der rebellischen Donaustadt, kam nur mehr auf 78,7. Als einziger überstand der Gewerkschafter Christian Meidlinger, der zum ersten Mal kandidierte, die Wahl unbeschadet. Er gehört zu keinem Flügel und kam auf 88 Prozent. Damit steht nicht nur die rote Führungsriege vor dem 1. Mai, dem Hochamt der Sozialdemokratie am Wiener Rathausplatz, schwer beschädigt da – sondern die gesamte Partei. Denn die massiven Stimmenstreichungen betrafen nicht nur Häupl als roten Vorsitzenden und seine Stellvertreter, sondern setzte sich nahtlos bei den anderen Kandidaten des Vorstandes weiter. Hier gab es Stimmenstreichungen bis zu 35 Prozent. Das betraf den Simmeringer SPÖ-Chef Harald Troch, der einer der größten Häupl-Kritiker war. Nebenbei: Christian Kerns Klubchef, Andreas Schieder, der ebenfalls als möglicher Häupl-Nachfolger gehandelt wird, musste auch Streichungen hinnehmen. Bei der Wahl in den Vorstand kam er auf 78,2 Prozent.

Häupl kommentierte dieses Wahlergebnis in einer ersten Reaktion nur knapp: „Wir sind alle gewählt. Was als nächstes ansteht, ist die gemeinsame Arbeit und die gemeinsame Verantwortung.“ Michael Ludwig erklärte: „Ich habe mich für einen Parteitag der Geschlossenheit eingesetzt. Jetzt gilt es noch stärker, mit ganzer Energie und vereinten Kräften die täglichen Herausforderungen in unserer Stadt anzupacken.“ Nachsatz: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“ Für Empörung sorgte unter den Delegierten: Während im Saal noch intensiv über Anträge diskutiert wurde, kursierten die Wahlergebnisse bereits auf Twitter. Deshalb musste die Tagung unterbrochen werden – um in einer improvisierten Aktion die Wahlergebnisse auch den Delegierten zu präsentieren. Wie vergiftet die Atmosphäre zwischen den Lagern ist, zeigt ein seltsamer Vorfall: Am Tagungsort wurde auf der Toilette eine Liste gefunden, die schnell ihren Weg in die sozialen Medien fand – wurde sie doch als eine Art Gebrauchsanweisung interpretiert, wer zu streichen ist – nämlich Vertreter des linken Lagers. Ob die Liste echt ist, absichtlich im WC deponiert oder verloren wurde, blieb offen.

Kanzler Christian Kern wurde am Parteitag der Wiener SPÖ mit Kritik für seine Asylpolitik konfrontiert.
Kanzler Christian Kern wurde am Parteitag der Wiener SPÖ mit Kritik für seine Asylpolitik konfrontiert.APA (HERBERT P. OCZERET)

Die Vorzeichen

Anzeichen, dass dieser rote Parteitag mit massiven Stimmenstreichungen aus dem Ruder laufen könnte, hatte es im Vorfeld gegeben. Die Stimmung am Parteitag war zwar ruhig, kritische Wortmeldungen blieben überraschender Weise aus. Allerdings war die Situation am Tag zuvor ähnlich gewesen. Bei der Frauenkonferenz, dem Parteitag der roten SPÖ-Wien Frauen, war der Waffenstillstand gebrochen worden. Hier mussten die Vertreterinnen des kritischen Flügels zum Teil massive Stimmenstreichungen hinnehmen, während Vertreterinnen des linken Flügels davon verschont blieben. Anders formuliert: Der linke Flügel führte, entgegen der parteiinternen Abmachung und entgegen Michael Häupls Anweisung, massiv Stimmenstreichungen durch. Die Vertreterinnen der kritischen, bevölkerungsreichen Flächenbezirke, die Wohnbaustadtrat Michael Ludwig als Häupl-Nachfolger forcieren, hielten sich aber an die Abmachung.

Aus diesem Grund war die Atmosphäre während des Landesparteitages gespannt. Vertreter der Flächenbezirke reagierten wütend auf die Vorfälle bei dem roten Frauenparteitag und meinten zur „Presse am Sonntag“: „Nach dem Frauenparteitag können wir nicht mehr garantieren, dass wir alle zurück halten können.“ Viele in den Flächenbezirken seien wütend über den Bruch des Waffenstillstandes: „Und sie rechnen mit einer Wiederholung des Szenario – dem wollen sie nicht einfach zusehen.“ Einige in der Partei meinen, dass der Frauenparteitag keinen Einfluss gehabt hat – und sich die Fraktionen am Landesparteitag sowieso massenhaft gestrichten hätte. Begonnen hatte der Tag ebenfalls nicht besonders gut. Christian Kern, der erstmals als Kanzler und SPÖ-Chef den Parteitag seiner wichtigsten Landespartei besuchte, wurde von einer protestierenden Parteijugend empfangen. „Christian, Vorsitzender welcher Partei bist du eigentlich?“, wurde auf einem Transparent vor der Messe Wien gefragt, in dem sich die rund 900 Delegierten der wichtigsten roten Landespartei trafen. Daneben stand in großen Buchstaben eine Botschaft, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ: „Christian, du Werner!“ Kritisiert wurde Kern für die Diskussion um Zugangsbeschränkungen bei den Hochschulen und auch für die strengere Asyllinie: „Was im Plan A fehlt: Grenzenlose Solidarität“, stand auf einem Plakat.

Innen hatte Häupl in seiner Rede am Parteitag später nochmals klargestellt: „Es wird dieser der Landesparteitag sein, bei dem ich zum letzten Mal als Vorsitzender der Partei kandidiere.“ Er werde Kanzler Kern noch im Nationalratswahlkampf unterstützen, nach der Wahl werde er dann sein Amt übergeben: „Denn es ist ein legitimer Hinweis, dass es nach 24 Jahren ein Ende haben muss.“ Wer ihm als Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeister nachfolgt, müsse die Partei entscheiden: „Wir werden unmittelbar nach der Nationalratswahl die Personalvorschläge diskutieren und am Landesparteitag vorschlagen.“ Nachsatz: „Nicht ich werde bestimmen, wer in Zukunft die Partei führt, sondern der Landesparteitag.“ (dieser ist das höchste Gremium der Wiener SPÖ, tagt einmal jährlich und besteht aus rund 900 Delegierten)
Am Ende des Parteitages erklärte Häupl nochmals: „Natürlich hab ich mir ein anderes Ergebnis erhofft, aber es ist demokratisch zur Kenntnis zu nehmen.“ Die Entscheidungen seien gefallen, man habe sich nun der inhaltlichen Arbeit zuzuwenden. Ironischer Nachsatz: „Journalisten haben uns sowieso immer wieder sowjetische Ergebnisse vorgeworfen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2017)

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