Deutschlands Verteidigungsministerin geht in einem offenen Breif auf die seit langem intern bekannte rechtsextreme Haltung des inhaftierten Offiziers Franco A. ebenso ein wie auf jüngste Mobbingfälle.
Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat in einem offenen Brief an die Bundeswehr betont, dass die jüngsten Skandale in der Truppe keine Einzelfälle mehr seien. "Zu groß ist die Zahl der Vorfälle, zu gravierend die zutage getretenen Fehlentscheidungen, wie zum Teil auf vorgesetzten Ebenen mit klaren Verfehlungen umgegangen wurde", schreibt sie in einem Brief am Montag.
Es gebe offenbar in vielen Bereichen der Bundeswehr keinen Konsens darüber, wann die Grenze zum Extremismus oder zu überzogener Härte und Schikane überschritten sei, kritisierte die Christdemokratin. Sie ging auf die seit langem intern bekannte rechtsextreme Haltung des inhaftierten Bundeswehroffiziers Franco A. ebenso ein wie auf jüngste Fälle von Mobbing in einer Elitekaserne in Pfullendorf und bei Gebirgsjägern in Bad Reichenhall. "Wir müssen unsere Ausbildungskonzepte hinterfragen, von den Mannschaften bis zu den Offizieren", sagte die Ministerin. Zudem müsse über "Sicherungsmechanismen" nachgedacht werden.
Von der Leyen schrieb den Soldatinnen und Soldaten, sie sei weiterhin fest davon überzeugt, "dass die übergroße Mehrheit von Ihnen ob in den Einsätzen oder im Grundbetrieb tagtäglich anständig und tadellos ihren wichtigen Dienst für unser Land leistet". Die Bundeswehr sei existenziell darauf angewiesen, dass ihr guter Ruf in der Bevölkerung, aber auch im Parlament Bestand habe. "Deswegen müssen wir Missstände offen aussprechen und diskutieren."
Bundeswehrverband "über Verallgemeinerungen entsetzt"
Die Ministerin kam in der Affäre um den Soldaten Franco A. indes selbst unter Druck. SPD-Vizechef Ralf Stegner sagte zur Kritik der Christdemokratin an der Armeeführung im "Tagesspiegel" (Dienstag): "Wer nach drei Jahren im Amt über ein breites Führungsversagen in der Bundeswehr klagt, der klagt sich selbst an." Von der Leyen versuche am Ende der Wahlperiode, sich aus der Verantwortung zu stehlen. "Frau von der Leyen hätte ausreichend Zeit gehabt, um die Missstände abzustellen."
Der Vorsitzende des deutschen Bundeswehrverbandes, Andre Wüstner, hat sich "schockiert" über die schweren Vorwürfe. Wüstner sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag): "Politiker an Bundeswehrstandorten, Menschen aus der Bundeswehr und Angehörige, viele Soldaten im Auslandseinsatz - alle sind über diese Verallgemeinerungen entsetzt." Wie solle man das einem Soldaten, der in Mali unter schwierigsten Bedingungen mit zum Teil nur bedingt guter Ausrüstung Dienst tue, erklären?, fragte Wüstner.
Die Ministerin nehme weiteren Schaden im Verhältnis zwischen Politik und Bundeswehr in Kauf, ohne genau zu sagen, auf welcher Faktenlage sie kritisiere. "Ich erwarte von ihr, dass sie umgehend Transparenz schafft, wie der Vorwurf, dass die gesamte Bundeswehr ein Problem mit "Führung und Haltung" hat, zu rechtfertigen ist", forderte der Chef des Verbandes, der die Interessen von Soldaten in dienstlichen und sozialen Fragen vertritt.
Der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag) sagte Wüstner, von der Leyen müsse ihre Aussagen schnell zurechtrücken und einordnen, "sonst wird das die Motivation der Truppe tiefgreifend beeinflussen und auch das Vertrauen in die politische Führung schwächen - und das ist schon jetzt nicht mehr sehr groß."
Von der Leyen: "Falsch verstandener Korpsgeist"
Von der Leyen hatte am Sonntag "falsch verstandenen Korpsgeist" als Ursache für die späte Enttarnung des unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehrsoldaten Franco A. bezeichnet. Dessen rechtsextremes Gedankengut sei den damaligen Vorgesetzten bekannt gewesen. Seine Masterarbeit von 2014 habe "ganz klar völkisches, dumpfes Gedankengut", sagte die CDU-Politikerin.
Der in Frankreich stationierte Oberleutnant war aufgeflogen, als er eine am Flughafen Wien in einem Putzschacht einer Toilette versteckte scharfe Pistole wieder holen wollte. Die österreichischen Behörden nahmen Franco A. nicht fest, informierten aber ihre deutschen Kollegen. Bisher schweigt der 28-Jährige zu den Vorwürfen.
Nach Informationen des "Spiegels" soll es sich dabei um ein gut 70 Jahre altes Modell aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs handeln. Heutzutage gelte die 7,65-Kaliber-Pistole eher als Sammlerobjekt. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt geht davon aus, dass mit der Waffe eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant war.
(APA/dpa)