"Nationale Grenzkontrollen müssen viel länger möglich sein"

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Verteidigungsminister Doskozil fordert eine Neugestaltung des Schengener Grenzkodex. Auch Außenminister Kurz betont, man dürfte sich "nicht hinter einer bürokratischen Regelung verstecken".

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) fordert angesichts der aktuellen Diskussion über ein Ende der nationalen Grenzkontrollen im Schengen-Raum eine Neugestaltung des Schengener Grenzkodex: Man müsse "das Recht anpassen und neu ausgestalten", damit weiterhin Kontrollen möglich seien, verlangte Doskozil am Donnerstag. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hatte zuletzt eine Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengenraum um weitere sechs Monate (bis November) angekündigt, zugleich aber betont, dass dies das "letzte Mal" sein werde. Es sei Zeit, zu einem normal funktionierenden Schengen-Raum zurückzukehren. Die heimische Bundesregierung will das so nicht hinnehmen.

Österreich gehöre zu jenen Ländern, die am meisten von der Flüchtlingsbewegung betroffen gewesen seien, man habe sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen höchst solidarisch gezeigt, betonte Doskozil. Seit Jahresbeginn seien rund 36.900 Migranten über die Zentrale Mittelmeerroute in Italien angekommen, das Migrationsaufkommen auf dieser Route liege somit rund 44 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Angesichts dieser Zahlen und auch weiterer illegaler Grenzübertritte entlang der Westbalkanroute brauche es eine Neuausgestaltung des Schengener Grenzkodex, denn dieser sei "unter ganz anderen Rahmenbedingungen beschlossen worden", argumentierte der Verteidigungsminister.

Bis Ende April knapp 9700 Aufgriffe in Österreich

"Es muss in Zukunft möglich sein, nationale Grenzkontrollen viel länger als bisher vorgesehen aufrecht zu erhalten", forderte Doskozil. Heuer seien bis Ende April schon knapp 9700 Aufgriffe in Österreich zu verzeichnen, mehr als 6600 Anträge auf Asyl wurden gestellt. "Wenn die EU-Kommission nun betont, dass eine weitere Verlängerung der nationalen Grenzkontrollen aus rechtlichen Gründen über den November hinaus nicht möglich sei, dann müssen wir gemeinsam das Recht anpassen und neu ausgestalten, damit die Kontrollen auch darüber hinaus möglich sind." Bis der Grenzkodex geändert werde, sollten nach Ansicht des Ministers "alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dass Österreich weiterhin illegale Migration ins Land eindämmen kann".

Ähnlich wie Doskozil äußerte sich am Donnerstag auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Er bekräftigte im Ö1-"Morgenjournal", nach den jüngsten Aussagen der EU-Kommission gehe es nun vor allem darum, die Außengrenzen besser zu schützen. Ob auch die Schengen-Grenzen kontrolliert werden, sollten die EU-Länder künftig selbst entscheiden: "Wenn Grenzkontrollen notwendig sind, weil die Zahlen an illegalen Migranten wieder zunehmen, dann sollte man sich nicht hinter einer bürokratischen Regelung verstecken, sondern dann sollte man auch Grenzkontrollen möglich machen", findet Kurz.

Kern: "Falls notwendig, um Ausnahme bemühen"

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gab sich angesichts der Ankündigung aus Brüssel betont entspannt, er wolle nun einmal abwarten, sagte er zum "Kurier". "Man kann jetzt noch nicht sagen, was im November ist." Man könnte im Herbst wieder einen Antrag zur Verlängerung an die Kommission schicken, sollten die Flüchtlingszahlen besonders stark sein, meinte Sobotka denn auch gegenüber Ö1. Es werde notwendig sein, sich im September bzw. Anfang Oktober mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich mit anderen Ländern zu akkordieren. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erinnerte im ORF-Radio daran, dass man ja schon Ausnahmen zugestanden bekommen habe. Man habe "das immer mit guten Argumenten untermauern können", betonte Kern. "Wenn das notwendig sein sollte, dann werden wir uns wieder um Ausnahmen bemühen."

Sollte die Kommission hart bleiben und keine Verlängerung mehr zulassen, will Sobotka national Maßnahmen setzen - zumindest zeitweise und vereinbar mit dem EU-Recht. Der Minister denkt dabei offenbar daran, es über gewisse Möglichkeiten im Rahmen einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu versuchen: Man könne die Grenze zwei mal zehn Tage lang oder bei einer Gefahrenlage auch länger kontrollieren. Auf jeden Fall werde man intensiv in "Grenzräumen" kontrollieren.

>>> Bericht im Ö1-"Morgenjournal"

>>> Bericht im "Kurier"

(APA/Red.)

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