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Mays halbe Stunde ist um

Tony Blair.
Tony Blair.(c) imago/ZUMA Press (Javier Rojas)
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EU-Kommission weist Einmischungsvorwürfe der britischen Premierministerin zurück. Europäische Volkspartei lädt Tony Blair ein.

Brüssel/London. Nicht nur die Briten selbst, sondern auch die EU-Kommission beherrscht offenbar die hohe Kunst des trockenen britischen Humors. „Wir werden unsere Arbeit nicht verbrexitisieren“, sagte EU-Kommissionssprecher Margaritis Schinas am gestrigen Donnerstag. Anlass für die Stellungnahme waren öffentliche Vorwürfe seitens der britischen Premierministerin, Theresa May, wonach die Brüsseler Behörde die vorgezogene Unterhauswahl am 8. Juni zu ihren Gunsten manipulieren wolle. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe wöchentlich 30 Minuten für Brexit-relevante Angelegenheiten budgetiert, und Theresa Mays halbe Stunde sei diese Woche bereits ausgeschöpft.

Ausgelöst wurden die Verstimmungen durch einen Augenzeugenbericht vom Abendessen May/Juncker vergangene Woche in London, der der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zugespielt wurde. Gemäß dem anonymen Insider (verdächtigt wird Junckers Kabinettschef Martin Selmayr) haben May und ihr Team unrealistische Vorstellungen vom EU-Austritt Großbritanniens und überzogene Forderungen an die EU-27. May selbst hat den Bericht in der Zwischenzeit als „Brüsseler Tratsch“ zurückgewiesen. Im Europaparlament sorgen die bevorstehenden Brexit-Verhandlungen für grenzüberschreitende Kooperationen, die vor dem Brexit-Referendum in dieser Form wohl kaum zustande gekommen wären. So hat die Europäische Volkspartei (EVP) den ehemaligen sozialdemokratischen Premierminister Tony Blair zur Vorstandssitzung ihrer Parlamentsfraktion eingeladen. Blair soll am kommenden Freitag gemeinsam mit EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) und der spanischen Brexit-Regierungsbeauftragten Soraya Sáenz de Santamaría über die europäischen Verhandlungsziele debattieren.

Währenddessen ziehen die Europäer die wirtschaftlichen Daumenschrauben an: Wie die Europäische Zentralbank gestern wissen ließ, werde man britischen Banken, die den Umzug von London aufs Festland erwägen, regulatorisch entgegenkommen und lange Fristen für die Umstellung interner Berechnungsmodelle auf kontinentaleuropäische Standards gewähren. Zum selben Zeitpunkt stellte die EU-Kommission klar, dass die Euro-Clearinggeschäfte (es geht um die Abwicklung internationaler, in Euro denominierter Finanztransaktionen), die derzeit vor allem in London getätigt werden, nach dem Brexit entweder unter verstärkter EU-Aufsicht oder innerhalb der EU-27 gemacht werden müssen. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2017)


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