"Genug ist genug": Venezuelas Dirigent Dudamel verurteilt tödliche Proteste

Dudamel gilt als musikalischer Botschafter Venezuelas.
Dudamel gilt als musikalischer Botschafter Venezuelas.APA/SILVIA LELL/SALZBURGER FESTS
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Der Star-Dirigent fordert Präsident Maduro auf, "die Stimme des venezolanischen Volkes zu hören". Am Donnerstag wurde ein Studentenführer bei Protesten getötet.

In Venezuela hat es bei Studentenprotesten gegen Staatschef Nicolas Maduro erneut heftige Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften gegeben. Polizei und Nationalgarde gingen am Donnerstag mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstranten vor, die an der Zentraluniversität in der Hauptstadt Caracas einen Protestmatsch gestartet hatten. Im nördlichen Bundesstaat Anzoategui wurde ein Studentenführer bei einer Versammlung an seiner Universität aus nächster Nähe erschossen.

Nachdem bei den Protesten am Mittwoch ein 18-jähriger Musikstudent ums Leben gekommen war, erhob erstmals auch der venezolanische Dirigent Gustavo Dudamel das Wort: Er forderte den Präsidenten und seine Regierung auf Facebook auf, "die Stimme des venezolanischen Volkes" zu hören. "Die Zeiten dürfen nicht durch das Blut unserer Leute definiert werden. Wir schulden unserer Jugend eine hoffnungsvolle Welt, ein Land, in dem wir uns in unserer Opposition frei bewegen können."

"Ich erhebe meine Stimme gegen Gewalt. Ich erhebe meine Stimme gegen jede Form der Repression", schrieb der künstlerische Direktor der Los Angeles Philharmoniker. "Es ist Zeit, auf das Volk zu hören: Genug ist genug." Dudamel, der als der musikalische Botschafter des lateinamerikanischen Landes gilt, war 2014 von der Opposition scharf kritisiert worden, als bei dreimonatigen Protesten 42 Menschen getötet wurden.

Aus nächster Nähe erschossen

Die Studenten hatten für Donnerstag zu landesweiten Kundgebungen gegen Maduro aufgerufen. In Caracas marschierten hunderte Demonstranten an der Zentraluniversität, der größten Universität des Landes, los. Sie kamen jedoch nicht weit: Direkt vor dem Campus wurden sie von den Einsatzkräften gestoppt. Polizei und Nationalgarde setzten Tränengas und Gummigeschosse ein, einige Demonstranten warfen Steine und Brandsätze zurück. "Wir sind Studenten, keine Terroristen", skandierten die Demonstranten.

Einer anderen Gruppe von Studenten war es zuvor gelungen, zum Sitz der venezolanischen Bischofskonferenz in Caracas vorzudringen, um eine Botschaft an die katholische Kirche und Papst Franziskus abzugeben. "Wir werden getötet, Venezuela ist eine Diktatur", erklärte Santiago Acosta von der katholischen Andres-Bello-Universität.

Auch an anderen Universitäten in Venezuela starteten Demonstrationszüge. Im nördlichen Bundesstaat Anzoategui wurde der 33-jährige Studentenführer Jose Lopez Manjares bei einer Versammlung an seiner Universität erschossen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Der Schütze habe aus nächster Nähe mehrere Schüsse auf den jungen Mann abgegeben, anschließend sei der Täter auf einem Motorrad geflüchtet. Drei weitere Menschen wurden den Angaben zufolge bei dem Vorfall verletzt. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Ob die Tat in Zusammenhang mit den Protesten gegen Maduro steht, war zunächst unklar.

70 Prozent in Umfragen gegen Maduro

Die Lage in Venezuela ist derzeit äußerst angespannt. Regierungsgegner laufen Sturm gegen die Ankündigung des sozialistischen Staatschefs, eine neue Verfassung ohne Beteiligung des Parlaments ausarbeiten zu lassen. Seit dem Beginn der Protestwelle Anfang April wurden nach jüngsten Angaben der Behörden 35 Menschen getötet und mehr als 700 weitere verletzt.

Für Samstag haben die Regierungsgegner im Zentrum von Caracas zu Frauenprotesten aufgerufen. Die konservative und rechtsgerichtete Opposition kämpft für vorgezogene Parlamentswahlen und eine Volksabstimmung über die Absetzung des Staatschefs, dessen Mandat regulär im Jänner 2019 endet.

Die Demonstranten machen Maduro zudem für die schwere Wirtschaftskrise in dem ölreichen südamerikanischen Land verantwortlich. Die Inflation wird nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr auf 720 Prozent steigen. Die Versorgungslage ist dramatisch. Nahrungsmittel, Medikamente sowie Dinge des täglichen Bedarfs wie Toilettenpapier und Seife werden vielerorts knapp. Immer wieder gibt es Plünderungen.

In Umfragen sprechen sich mittlerweile 70 Prozent der Befragten gegen Maduro aus, der nach dem Tod seines Vorgängers Hugo Chavez 2013 die Staatsführung übernommen hatte. Der Sozialist wird jedoch nach wie vor vom mächtigen Militär unterstützt. Die derzeitigen Unruhen sind die schwersten seit 2014, als bei Protesten gegen Maduro 43 Menschen getötet wurden.

(APA/AFP)

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