"Sozialpartnerschaft ist tot": Schelling wegen Sager in Kritik

Da hatten sie noch zu lachen: Foglar, Kaske und Leitl (von links nach rechts).
Da hatten sie noch zu lachen: Foglar, Kaske und Leitl (von links nach rechts).APA/BARBARA GINDL
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Der Finanzminister kritisiert die schleppenden Verhandlungen über Mindestlohn und Arbeitszeit. "Das Ende von Spitzenpolitikern ist absehbarer", wehren sich die Sozialpartner.

Finanzminister Hans-Jörg Schelling löste in einem Interview eine Debatte über die Sozialpartnerschaft aus: Er halte wenig von der urösterreichischen Tradition, ließ er in einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN) wissen. "Die Sozialpartnerschaft ist tot. Sie weiß es nur noch nicht", sagte er mit Blick auf das Feilschen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter zu einem neuen Arbeitsmarktpaket, Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung.

Am Samstagabend wollen sich Wirtschaftskammer Präsident Christoph Leitl, ÖGB-Präsident Erich Foglar und Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske zu vertraulichen Gesprächen zu Arbeitszeit und Mindestlohn treffen. Sollten die Sozialpartner bis Ende Juni keine Einigung erzielen, dann will die Bundesregierung das Zepter in die Hand nehmen - so sieht es zumindest das Arbeitsprogramm der Regierung vor, das allerdings schon in einigen anderen Bereichen im zeitlichen Verzug ist.

"Ich erwarte, dass die Sozialpartner so wie in den vergangenen 25 Jahren keine Lösung zustande bringen", brachte Schelling im Interview seine Skepsis zum Ausdruck. Man müsse eine Standortpartnerschaft bilden, die berücksichtigt, dass es nicht mehr um Klassenkampf gehe, meinte der Finanzminister.

Sozialpartner wehren sich

Die Sozialpartner hatten vor dem Treffen am Samstag eine Retourkutsche parat: "Das Ende von Spitzenpolitikern ist absehbarer, als ein mögliches Ende der Sozialpartnerschaft, die seit 70 Jahren lebt", sagte Kaske ohne Schelling namentlich zu nennen gegenüber der APA.

Auch der leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz ließ die Kritik des Ministers nicht gelten: "Wir werden Schelling eine Liste mit den Leistungen der Sozialpartnerschaft der vergangenen 25 Jahre schicken." Der Gewerkschafter zählte eine Reihe von sozialpartnerschaftlichen Einigungen auf, wie die Abfertigung neu oder die Reha vor der Pension und erinnerte daran, dass Schelling in seiner Zeit bei der Sozialversicherung selbst Teil der Sozialpartner gewesen sei.

Positionen liegen weit auseinander

Bei den vertraulichen Gesprächen am Samstagabend zu den aktuellen Themen Arbeitszeitflexibilisierung und 1500-Euro-Mindestlohn geht es dem Vernehmen nach indes vor allem um die Vorgangsweise auf Spitzenebene bis Juni. WKÖ-Präsident Leitl, AK-Präsident Kaske und ÖGB-Präsident Foglar besprechen heute weiters auch, was Experten beider Seiten bisher an potenziell praktikablen internationalen Beispielen rund um Arbeitszeitregelungen und Mindestlohnmodelle in Erfahrung gebracht haben. Dass die Gespräche im Mai auf Spitzenebene gehen, hatte Leitl bereits angekündigt.

Seit Februar wird verhandelt. Die Positionen dürften noch auseinanderliegen. Arbeitnehmervertreter fürchten finanzielle Nachteile durch eine Erhöhung der Tageshöchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden, sie sorgen sich um lukrative Überstunden. Arbeitgebervertreter wiederum sorgen sich vor zu hohen Kosten durch den generellen Mindestlohn von 1500 Euro, der für rund 350.000 Menschen kommen würde, die derzeit als Vollzeitbedienstete weniger verdienen.

(APA)

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