"Riesige Dummheit": AG-Funktionäre verschicken Judenwitze

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In privaten Chats sollen insgesamt 32 Personen – darunter Mitglieder der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft – unter anderem über „Anne Frank im Ofen“ gespottet haben. Die AG spricht von „dümmstmöglichem Humor“.

Wien. Der heurige ÖH-Wahlkampf hat seinen ersten großen Skandal: Mit Judenwitzen und Spott über Behinderte vertrieben sich Funktionäre der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft am Juridicum der Uni Wien in geschlossenen Online-Gruppen offenbar die Zeit. Die Wiener Stadtzeitung „Falter“ hat in ihrer jüngsten Ausgabe über entsprechende Auszüge berichtet.

Im Artikel finden sich zahlreiche Beispiele. Im privaten Facebook-Chat wurde etwa ein Bild eines Mannes in Nazi-Montur gepostet, der ruft: „Wollt ihr die kleine Studienplanreform oder wollt ihr die totale Studienplanreform?“ Eine Anspielung auf Josef Goebbels' Aufruf zum „totalen Krieg“. Auf einem anderen Bild ist die Bestellliste einer Fastfoodkette zu sehen. Darauf steht: „Anne Frank“, mit dem Zusatz „gerade im Ofen“. Auch über Menschen mit Behinderung wird gewitzelt.

Angesichts von Verbindungen zur Jungen ÖVP (JVP) sahen SPÖ und Grüne auch bei Außenminister Sebastian Kurz als deren Chef Handlungsbedarf. Dieser begrüßte den Ausschluss der Akteure. Der Wiener JVP-Chef Nico Marchetti hatte per Twitter mitgeteilt, die Betroffenen seien "sofort und einstimmig" aus der Jungen ÖVP Wien ausgeschlossen worden.

Neben der besagten Facebookgruppe unter dem Namen „FVJUS Männerkollektiv“ spielte sich das auch in der Whatsapp-Gruppe „Badass warlords“ ab. Zumindest die Facebookgruppe bestehe bereits seit vier Jahren. Insgesamt sollen an den Gruppen laut „Falter“ rund 32 Personen (darunter „zahlreiche Aktivisten der AG Jus“) beteiligt gewesen sein. Namen werden keine genannt. Es solle sich aber um „stadtbekannte Studentenpolitiker, die zum Teil in der ÖH hohe Funktionen inne haben“ handeln. Auch Mitglieder der Jungen ÖVP sollen darunter sein.

Noch bevor der „Falter“-Artikel überhaupt online ging, reagierte die Aktionsgemeinschaft (AG) darauf: „Wir entschuldigen uns in aller Form und werden Konsequenzen aus den Vorkommnissen ziehen“, heißt es in einem Facebook-Post. Belastete Mitglieder der AG Jus hätten die Fraktion mittlerweile bereits verlassen müssen.

In den privaten Gruppen hätten „einige unserer Mitglieder unter dem vermeintlichen Schutz der Vertraulichkeit politisch inkorrekte, geschmack- und niveaulose Dinge aus dem Internet“ geteilt, schreibt die AG. Und weiter: „In keinster Weise vertritt auch nur eine Person in der AG Jus so eine abscheuliche Haltung, sondern es handelt sich hierbei um die dümmstmögliche und verurteilenswerteste Art von schwarzem Humor.“ Die Gruppe sei eine „riesige Dummheit“ gewesen.

 

Was wusste Spitzenkandidatin?

Die Aktionsgemeinschaft (AG), die derzeit als größte Fraktion im Studierendenparlament in der Opposition ist, bringt das nur eine Woche vor der ÖH-Wahl (siehe Artikel rechts) in große Bedrängnis. Vor allem auch deshalb, weil AG-Spitzenkandidatin Silvia Grohmann selbst am Juridicum studiert. Als Frau dürfte sie aber nicht Teil der Männergruppen gewesen sein. Frauen sollen dort konsequent abgelehnt worden sein.

Dennoch werden bereits erste Rücktrittsaufforderungen laut: „Die AG muss Konsequenzen ziehen. Solche Verharmlosungen des Nationalsozialismus sind nicht tolerierbar“, sagt etwa Yannick Shetty, der Spitzenkandidat der pinken Junos. Grohmann sei seit Jahren aktive Funktionärin in der AG am Juridicium. Ihr könne das nicht entgangen sein. Deshalb müsse sie zurücktreten.

Die grünen und alternativen Studierenden der Gras kritisieren die „an Widerwärtigkeit kaum zu übertreffende Witze“. Hannah Lutz, Spitzenkandidatin des roten VSStÖ, sagt: „Das lustig zu finden, sagt viel über die Gesinnung der 'unpolitischen' Aktionsgemeinschaft aus.“ Auch die linke ÖH-Spitze reagierte: „Dieses Verhalten ist unwürdig, widerlich und stellt eine grobe Verharmlosung des Nationalsozialismus dar“, so Lucia Grabetz vom Vorsitzteam. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) fordert „volle Aufklärung“ und die Überprüfung etwaiger strafrechtlicher Konsequenzen.

Die Jüdischen österreichische HochschülerInnen (JöH) zeigten sich bestürzt und wollen rechtliche Schritte prüfen. "So etwas Schockierendes und Widerwärtiges ist mir auf Österreichs Hochschulen - und gerade von hochrangigen StudierendenvertreterInnen - noch nie begegnet", erklärte Co-Präsident Bini Guttmann.

>>> Link zum Falter-Artikel

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2017)


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