Podiumsdiskussion: Ein Buch als Rezept gegen Austrosklerose

Buchautor Josef Urschitz, Hannes Androsch und „Presse“- Chefredakteur Rainer Nowak (v. l. n. r.) bei der Buchpräsentation.
Buchautor Josef Urschitz, Hannes Androsch und „Presse“- Chefredakteur Rainer Nowak (v. l. n. r.) bei der Buchpräsentation.(c) Akos Burg
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„Presse“-Kolumnist Josef Urschitz hat ein Buch gegen den Stillstand verfasst. Das Echo ist enorm.

Wien. Wenn Hannes Androsch, Ex-Finanzminister und Unternehmer, aktuelle Um- und Zustände veranschaulichen will, bemüht er gern österreichische Schriftsteller. Am Donnerstagabend musste etwa Johann Nestroy herhalten: „Was hat die Nachwelt für uns getan? Nichts! Das Nämliche tue ich für die Nachwelt“, habe Nestroy geschrieben. Androsch schrieb es den österreichischen Entscheidungsträgern ins Buch. „Presse“-Wirtschaftsredakteur Josef Urschitz schrieb gleich ein ganzes Buch über den Stillstand hierzulande und „Wie der Reformstau unseren Wohlstand gefährdet“. Am Donnerstagabend wurde es in der Industriellenvereinigung in Wien präsentiert. Das war nicht nur vom Timing her angesichts der Regierungsumwälzung ein Volltreffer. Der Andrang von 320 Gästen bewies auch, dass Urschitz einmal mehr den Nerv der Zeit getroffen hat. Die Menschen sind sichtlich frustriert ob des besagten Stillstandes. Urschitz spricht von einer „Austrosklerose“ seit mehr als 40 Jahren, einer Blockade jeglicher Reformansätze durch die Landeshauptleute, die Sozialpartnerschaft und die Große Koalition: Ja, es ginge uns noch gut, „aber seit zehn, 15 Jahren beginnt alles zu erodieren“, so der Autor: In Wirtschaftsrankings der Industrienationen sei man binnen weniger Jahre vom zehnten auf den 20. Platz zurückgefallen. Das Problem sei ein strukturelles, die Maßnahmen, die gesetzt worden seien, „sind aber nie in die Struktur gegangen“.

Es gehört zum Sittenbild von Österreichs realer Verfasstheit, dass selbst die gegeißelte Struktur dem Diagnostiker Beifall klatscht. „Urschitz will einen Weckruf setzen. Und das ist ihm mit dem Buch tatsächlich gelungen“, sagte Anna-Maria Hochhauser, die als Generalsekretärin der Wirtschaftskammer am Donnerstag neben Androsch, dem Ökonomen Stephan Schulmeister und Matthias Egarter, Unternehmer und Vorstand der Jungen Industrie Wien, auf dem Podium diskutierte. Urschitz habe Recht, dass es auf gesetzgebender Ebene hake, so Hochhauser, die gleichzeitig das System der Sozialpartnerschaft als mitverantwortlich für den Wohlstand verteidigte.

Ja, ätzte Androsch, die Sozialpartner hätten vor zehn Jahren ein Bildungskonzept beschlossen und sich seither nicht mehr darum gekümmert: „Die wissen: ,Ohne uns geht nichts, und mit uns genauso viel.‘“

Wege aus der Sackgasse

Urschitz selbst sprach nicht nur von einer flächendeckenden Umsetzungsschwäche, sondern von einem mangelnden Umsetzungswillen: „Deshalb sehe ich bei dieser Politikergeneration schwarz.“ Dabei fehlt es nicht an Ideen, um den Karren wieder flottzumachen. Der Verfassungskonvent hat schon vor über zehn Jahren über Vorschläge für eine Staats- und Verfassungsreform beraten, und ein Positionspapier des Rechnungshofes umfasst 1007 Empfehlungen für Strukturreformen.

Auch Urschitz bleibt im Buch nicht beim Befund stehen, sondern zeigt der immer frustrierteren Gesellschaft Wege aus der Lähmung – zuallererst die Einführung „eines Persönlichkeits- bzw. Mehrheitswahlrechtes. Alle müssen mehr Druck auf die Akteure machen“.

Was noch gegen den Stillstand hilft? Egarter: „Urschitz' Buch zur Pflichtlektüre in Regierung und Nationalrat zu machen.“

ZUR PERSON

Stillstand – wie der Reformstau unseren Wohlstand gefährdet:
Im neulich erschienenen Buch (Molden Verlag, 19,90 Euro) analysiert Josef Urschitz die Blockadefaktoren, die Reformen verhindern, zeigt Auswege aus der Misere auf und warnt: Wenn wir den Reformstau nicht selbst auflösen, wird das irgendwann eine externe Troika für uns tun. [ Molden Verlag ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2017)

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