KHM: Meese, der Möchtegern-Parsifal

Der deutsche Künstler Jonathan Meese neben Tintoretto-Hommage und programmatischem Januskopf.
Der deutsche Künstler Jonathan Meese neben Tintoretto-Hommage und programmatischem Januskopf.(c) KHM
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Jonathan Meese neben Velázquez und Raffael – das KHM zeigt im Rahmen der Festwochen ein paar Werke des Künstlers: u. a. einen „Chef der Kunst“ und kindliche Manifeste.

Alle Kunst hat zum einen eine religiöse Seite, auf der anderen Seite verliert sie sich in das freie Spiel des Einzelnen“, schrieb der Philosoph Friedrich Schleiermacher. Bei aller Fantasie, die die Romantiker als Vehikel zum Unendlichen sahen: Die unendlichen Räume der „Tumbheit“, in die spätere Künstler ihre Theorien führen würden, hätten sie sich wohl nie träumen lassen.

„Parsifal's Traum: Chefsache K.U.N.S.T.“ hat der Künstler Jonathan Meese seine Miniausstellung im Kunsthistorischen Museum genannt. Sie umspielt thematisch sein Hauptprojekt bei den Wiener Festwochen, die Inszenierung einer Oper von Bernhard Lang; diese wird unter dem Titel „Mondparsifal Alpha 1–8 (Erzmutterz der Abwehrz)“ im Theater an der Wien uraufgeführt.

Antirealität und faschistische Ästhetik

Meese soll darin, den Ankündigungen zufolge, Wagners Figur des Parsifal neu deuten. Auch im Kunsthistorischen Museum spielt Parsifal als „Urkünstler“ eine Rolle. Im Zentrum der Werkgruppe steht die Skulptur eines janusköpfigen „Chefs der Kunst“. Dieser sei, so Meese, ein Parsifal, maskiert als Zed (das ist eine Erlöserfigur aus einem Fantasyfilm namens „Zardoz“). Er komme aus der „Antirealität“ und rate uns: „Sieh von dir ab und spiele, damit sich die Zukunft an dir abspielen kann.“ Das alles erklärt Meese in einem Begleitvideo, das mit faschistischer Ästhetik spielt, offenbar, um diese mit umgekehrten Vorzeichen zu versehen: Den bösen Utopien stellt Meese seine friedliche vom Sieg der Kunst entgegen.

Nicht nur Wagners Musiktheater und die Fantasyliteratur, auch der die Tradition der Kunstmanifeste begründende Futurismus war auf seine Weise ein Nachfahre der Romantik mit ihrem Drang zur Überwindung der Realität, ihrem Erlösungsanspruch. Und so hat Meese auch ein paar in krakeliger Kinderschrift geschriebene Kunstmanifeste deponiert: das Parmigianino-Manifest, Tintoretto-Manifest, Velázquez-Manifest, Raffael-Manifest, Caravaggio-Manifest. All diese Künstler dienen, meint Meese, dem „ultimativsten Gesetz ,Kunst‘“.

Kunst aber ist offenbar alles, was Meese gefällt und auflistet: „Überzeit“ und „Mutter“, „Zukunft“ und „Licht“, „Mad Max“ und „Barbarella“, „Nährstaat“ und „Richard Wagnerstaat“, „Extremststaat“, „Spielkindstaat“ und vieles mehr. „Ich bin ja wie ein Kind!“, rief Jonathan Meese bei einer Festwochen-Pressekonferenz Ende April. Drei seiner Bilder hängen programmatisch neben berühmten Kindergemälden, nämlich Diego Velázquez' Bildern der Infantin Margarita Teresa. Welche Meisterschaft Velázquez brauchte, um den Ausdruck kindlicher Unschuld in diese Gesichter zu zaubern, kann man auch als Nichtkenner erahnen.

„Vielleicht muss man vom Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen“, vermutete Kleist in seinem Essay über das Marionettentheater. Ohne höhere Gnade ist es schwer, ein „reiner Tor“ zu werden. Und manchmal ist Torheit einfach nur – Torheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2017)

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