Leise Vertretung, laute Skandale: 330.000 Studenten dürfen wählen

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THEMENBILD: �H-WAHL 2017(c) APA/CHRISTIAN MÜLLER
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Heute startet die dreitägige Hochschülerschaftswahl. Die derzeitige linke Mehrheit wackelt. Ihr könnte nur der Skandal um die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft helfen.

Wien. Während die heimische Bundespolitik um einen Neuwahltermin ringt, beginnt in der Studentenpolitik am heutigen Dienstag der dreitägige Urnengang: Rund 330.000 Studierende sind dabei aufgerufen, ihre Vertretung in der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) zu wählen. Viel Aufmerksamkeit wird den Studentenpolitikern derzeit freilich nicht zuteil. Alles wird vom innenpolitischen Spektakel überlagert.

Im Wahlkampf war das heuer überraschenderweise anders. Da hat es die Hochschulpolitik sogar mehrmals auf die große innenpolitische Bühne geschafft. Dabei hat sie allerdings alles andere als eine rühmliche Rolle gespielt. Erst vor knapp einer Woche, konkret einen Tag vor dem Rücktritt des Vizekanzlers und ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner, hat eine skandalträchtige Geschichte für Wirbel gesorgt: Der „Falter“ berichtete über antisemitische und menschenverachtende Vorfälle in der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) am Juridicum der Uni Wien. In privaten Chatgruppen sollen insgesamt 32 Personen – darunter Mitglieder der AG sowie der Jungen ÖVP – unter anderem über „Anne Frank im Ofen“ gespottet haben. Es folgten Ausschlüsse. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Das beschäftigte auch die Innenpolitik. Die SPÖ sah „massiven Erklärungsbedarf der ÖVP“ und meinte damit vor allem JVP-Chef Sebastian Kurz. Der verurteile „den Vorfall zutiefst“ und begrüßte die Ausschlüsse aus der JVP. Dennoch wird weiter nach direkten Verbindungen zwischen Beteiligten und dem nunmehrigen neuen, designierten ÖVP-Chef gesucht. So soll etwa auch ein früherer Pressesprecher der JVP in den Fall verwickelt sein. Auch ein anderer Name sickerte durch: Alexander Grün, der bisherige AG-Spitzenkandidat an der Uni Wien. Er hat diese Funktion zurückgelegt. Von den Wahllisten können in den Fall verwickelte Mandatare aber nicht mehr gestrichen werden. Die Frist dazu ist abgelaufen. Die Kandidaten hätten, so die AG, aber Verzichtserklärungen unterschrieben, die Mandate nicht anzunehmen.

Linke Viererkoalition vor Ende

Für AG-Spitzenkandidatin Silvia Grohmann, die übrigens selbst am Juridicum studiert, eine schwierige Ausgangssituation. Denn die AG dürfte wohl nicht nur am Juridicum, sondern bundesweit für diese Vorfälle abgestraft werden.

(C) DiePresse

Dabei hat es bis vor einer Woche noch sehr gut für die ÖVP-nahen Studenten ausgesehen. Als Wahlsieger ist die AG bei den vergangenen ÖH-Wahlen immer hervorgegangen. Diesmal zeichneten sich aber auch höhere Chancen auf eine Koalitionsbeteiligung ab. Das ist der stimmenstärksten Fraktion in der Vergangenheit nämlich nicht gelungen. An der Spitze der ÖH steht seit sechs Jahren eine linke Viererkoalition aus den Grünen und Alternativen StudentInnen der Gras, dem roten Verband Sozialistischer Studierender (VSStÖ), den unabhängigen Fachschaftlisten (FLÖ) und der Fraktion Engagierter Studierender (FEST). Letztere tritt heuer gar nicht mehr bundesweit zur Wahl an. Und auch die restlichen drei Fraktionen dürften nicht mehr allzu viel Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit haben. Dafür wurde – vor allem mit der Gras – zu viel gestritten.

Apropos Gras: Auch diese Fraktion – besser gesagt, eine Abspaltung davon – hat es mit einem fragwürdigen Auftritt auf die bundespolitische Bühne geschafft. Im Streit zwischen Gras und Grünen Studierenden mischte nämlich auch die Jugendorganisation der Grünen, die Jungen Grünen, mit. Sie stellten sich hinter die Splittergruppe und wurden dafür von den Grünen verstoßen. Das wiederum hat sogar Grünen-Chefin Eva Glawischnig in Bedrängnis gebracht. Es wird sich zeigen, ob das innergrüne Hickhack Stimmen gekostet hat.

Mit dem eigenen Parteichef hatte auch der VSStÖ zu kämpfen. Für die roten Studierenden, die klar für einen offenen Hochschulzugang eintreten, war es denkbar ungünstig, dass SPÖ-Chef Christian Kern während des Wahlkampfs mit der ÖVP an neuen Zugangsbeschränkungen bastelt. Bezeichnenderweise wurde Kern deshalb auch nicht von den roten, sondern von den pinken Studierenden plakatiert. Die Jungen liberalen Studierenden (Junos) sind die einzige Fraktion, die für Zugangsbeschränkungen und nachgelagerte Studiengebühren eintreten.

Abgesehen von der innergrünen Debatte und dem AG-Skandal war die ÖH in den vergangenen zwei Jahren vor allem eines: nämlich leise. Die Vorsitzenden hatten einen eher zurückhaltenden Zugang zur Vertretungsarbeit: „Wenn du die ÖH nicht brauchst, ist das eigentlich ein gutes Zeichen“, sagte ÖH-Vorsitzende Lucia Grabetz kürzlich. Damit wird sich die traditionell niedrige Wahlbeteiligung von rund 25 Prozent wohl kaum steigern lassen.

AUF EINEN BLICK

Die ÖH-Wahl startet heute, Dienstag, und läuft bis Donnerstag. An den Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privatunis sind 330.000 Studierende wahlberechtigt. Sie wählen drei Vertretungen: die Studienvertretung, die Hochschulvertretung und die Bundesvertretung. Die Bundesvertretung ist quasi das Studierendenparlament. In diesem gibt es 55 Mandate. Über die meisten Mandate verfügt die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG). Sie ist aber in Opposition. An der ÖH-Spitze steht eine linke Viererkoalition aus der grünen Gras, dem roten VSStÖ, der unabhängigen Fachschaftlisten (FLÖ) und der FH-Fraktion namens FEST.

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