Trünkel: Fleischer ohne Fleischwolf

Seine Sacherwürstel lässt der Fleischer Trünkel seit Kurzem von der Konkurrenz produzieren. Das spare Kosten und stelle sicher, dass ihre Maschinen ausgelastet sind.
Seine Sacherwürstel lässt der Fleischer Trünkel seit Kurzem von der Konkurrenz produzieren. Das spare Kosten und stelle sicher, dass ihre Maschinen ausgelastet sind. (c) REUTERS (Dado Ruvic)
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Die Fleischerei Trünkel ist unerwartet zurück - ohne Filialen und Produktion und mit einer Rumpfmannschaft. Sie überlässt den Ketten großräumig das Feld und verlegt sich auf Gastro-Kunden.

Wien. Der Jammer im Winter war groß, als der Wiener Traditionsbetrieb Trünkel nach 111 Jahren sein Aus bekannt gab. Die Millioneninvestition in die 25 Jahre alte Produktionsanlage war der Eigentümerfamilie zu riskant. Groß war auch das Lob aus der Branche: Es sei vorbildlich, wie Trünkel nicht ungeordnet in die Insolvenz schlittere, sondern rechtzeitig die Konsequenzen aus fünf verlustreichen Jahren ziehe. Die 98 Angestellten wurden ausbezahlt und beim AMS gemeldet, die Lieferanten entlohnt, die verbliebenen neun Filialen verkauft. Es war ein geordneter Abgang, der mit April abgeschlossen sein sollte.

Doch am Dienstag stellte sich unerwartet der frühere Ko- und jetzige Alleineigentümer und Geschäftsführer Michael Trünkel vor die Öffentlichkeit, um nachträglich den nahtlosen Neustart mit 1. April zu verkünden. Kunden wie die BP-Tankstellen hätten ihn mit ihrem Rückhalt umgestimmt. „So wenig wie möglich und so viel wie nötig“ habe er am Konzept geändert. Das ist leicht untertrieben: Das Logo blieb zwar mehr oder weniger gleich, sonst überlebte nur das „Filetstück“ des Geschäfts. Die defizitären Filialen des Fleisch- und Wursthändlers werden nicht revitalisiert. Das Sortiment wurde auf bekannte Klassiker wie Sacherwürstel und Pasteten eingedampft, und seit dem 1. April produzieren Dritte – zu 60 Prozent der Schinkenfabrikant Berger – mit Trünkels Rezepten und Rohstoffen in seinem Auftrag.

Das sei ein Gewinn für beide Seiten, sagt Michael Trünkel. Statt selbst die nötigen 15 bis 20 Mio. Euro für neue Maschinen in die Hand zu nehmen, die dann nicht ausgelastet seien, unterstütze er lieber die bestehenden Hersteller wie Berger und Radatz mit Aufträgen und erspare sich Kosten.

Dem Vorwurf, er habe durch die Schließung und anschließende Neueröffnung auch Löhne einsparen wollen – schließlich sind im neuen Liesinger Werk nur mehr 25 Mitarbeiter beschäftigt –, entgegnet er: „Das war nie ein Thema. Noch vor wenigen Wochen hat es danach ausgesehen, als ob Trünkel ganz aus der heimischen Landschaft verschwindet.“

Nun probiert er sich in einem schwierigen Umfeld doch als Lazarus. Die Branche leidet unter dem stagnierenden Fleischkonsum, dem geänderten Essverhalten hin zu Vegetarischem und Veganem, vor allem aber setzt den kleinen Betrieben der Preisdruck der Handelsketten zu. Bereits 70 Prozent des heimischen Frischfleisches werden bei den beiden Platzhirschen Spar und Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny) gekauft. Spar ist mit sechs Tann-Werken einer der größten Fleisch- und Wurstproduzenten Österreichs. Rewe zog erst neulich mit der fünften Produktionsstätte nach. Beide rüsten kontinuierlich auf. Der Anteil der Fleisch- und Wurstwaren, der heute noch über die Theken der rund 1300 kleinen Fleischhauer Österreichs zu den Kunden findet, liegt bei zwölf Prozent.

„Kein unanständiger Partner“

Dass Michael Trünkel nur 15 Prozent der für 2017 angestrebten fünf Mio. Euro in den Regalen der zwei Konzerne umsetzen will, ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich. „Ich sehe Rewe nicht als unanständigen Partner“, betont er aber. Trotzdem bleibe man im Lebensmittelhandel nur mit einer Handvoll Spitzenprodukte vertreten. Seine Zukunft sieht Trünkel primär als Zulieferer und Partner der Gastronomie und der Tankstellenpächter. 500 Restaurants im Großraum Wien beliefert man aktuell. Ihre Zahl soll vor allem in der gehobenen Gastronomie wachsen. Dank der Kooperationen mit Produzenten wie Berger will er sie mit einem Vollsortiment aus Fleisch- und Wurstwaren, Käse und Salaten und zusätzlichen Services locken.

Das muss er auch, denn der Traditionsbetrieb ist nicht der einzige Fleischer, der die Belieferung der Gastronomie als willkommenes Zubrot zum unrentablen Gassenverkauf erkannt hat. „Den Wettbewerb nehme ich gern auf“, sagt Michael Trünkel optimistisch. Er sei offen für Neues, Geflügel und selbst Fisch seien bald „kein Tabu“ mehr, sofern es der Kunde wünsche. Was aber ist dieser wiederauferstandene Betrieb ohne Filialen nun, nachdem er selbst nichts produziert und den halben Kühlschrank für die Großküche liefern will? „Es ist nach wie vor eine Fleischerei“, sagt Trünkel. „Aber es geht in Richtung Küchenprodukte.“ (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2017)

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