Syrien: Lässt Assad Leichen verbrennen?

Satellitenaufnahme des Gefängnisses Sednaya. Das mutmaßliche Krematorium befindet sich rechts außerhalb des Komplexes.
Satellitenaufnahme des Gefängnisses Sednaya. Das mutmaßliche Krematorium befindet sich rechts außerhalb des Komplexes. (c) APA/AFP/DIGITALGLOBE
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USA erheben neue Vorwürfe gegen das Regime in Damaskus. Im berüchtigten Gefängnis Sednaya, Ort von Folter und Massenhinrichtungen, soll es ein Krematorium errichtet haben.

Wien/Washington. Nicht nur Joav Galant fühlt sich an die Todesmaschinerie der Nazis erinnert, an die systematische Auslöschung, Beseitigung und Verbrennung von Gefangenen eines Regimes. „In Syrien werden Leute hingerichtet, gezielt mit Chemiewaffen angegriffen, und jetzt werden auch noch ihre Leichen verbrannt – etwas, was wir seit 70 Jahren nicht mehr gesehen haben.“ Der Bericht über ein Krematorium im berüchtigten syrischen Gefängnis Sednaya nördlich von Damaskus, das das US-Außenministerium jetzt anhand von Satellitenfotos ausgemacht haben will, traf den israelischen Wohnbauminister ins Mark.

Der Ex-General, Sohn einer Holocaust-Überlebenden, bezeichnete die Exzesse des Syrien-Kriegs als Völkermord. Joav Galant sprach davon, dass Diktator Bashar al-Assad eine „rote Linie“ überschritten habe. Und er forderte – zu Beginn einer neuen Verhandlungsrunde in Genf – ohne Umschweife: „Es ist an der Zeit, Assad zu liquidieren.“

„Menschliches Schlachthaus“

Dass die im „roten Gebäude“ in Sednaya festgehaltenen Häftlinge Folter ausgesetzt sind, dass hier Massenhinrichtungen stattfinden, hat bereits die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Report vor drei Monaten angeprangert. Sie nannte das Militärgefängnis ein „menschliches Schlachthaus“. Demnach soll das Assad-Regime im Zeitraum zwischen 2011, dem Beginn des Bürgerkriegs, und 2015 allein dort bis zu 13.000 Menschen exekutiert haben. Nach Schätzungen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen während dieser Zeit 65.000 Menschen „verschwunden“ sein.

Die zuvor blutig geschlagenen Oppositionellen, oft Studenten, seien mit verbundenen Augen in den Keller geführt worden, mindestens einmal pro Woche seien Gruppen von 20 bis 50 Personen hingerichtet worden, heißt es in dem Bericht. „Sie haben sie für zehn bis 15 Minuten aufgehängt. Einige starben nicht sofort, weil sie zu leicht waren. Sie haben sie heruntergenommen und ihnen das Genick gebrochen“, schilderte ein Richter.

Für Amnesty ist dadurch der Tatbestand von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllt. Die Vorwürfe des US-Außenministeriums gehen nun jedoch noch weiter. „Der Versuch Assads, einen Massenmord zu vertuschen, erinnert an die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit des 20. Jahrhunderts“, erklärte Nikki Haley, die UN-Botschafterin der Trump-Regierung. „Der Rest der Welt erkennt die Grausamkeiten des syrischen Regimes an. Es ist Zeit für Russland, sich dem anzuschließen.“

Moralischer Druck auf Moskau

Washington will den moralischen Druck auf die Assad-Alliierten in Moskau und Teheran erhöhen, die zuletzt ein Abkommen über vier Sicherheitszonen in Syrien abgeschlossen haben. „Die Gräueltaten sind offenbar mit der uneingeschränkten Unterstützung von Russland und dem Iran ausgeführt worden“, sagte Stuart Jones, der die Anschuldigungen im US-Außenministerium präsentierte – auch zur Überraschung von Amnesty International und anderer Menschenrechtsgruppen, die weitere Untersuchungen in der Causa fordern, um zu einem abschließenden Urteil zu gelangen.

Das Regime in Damaskus habe das Krematorium laut dem State Department im Jahr 2013 errichtet. Zuvor habe es Tausende von hingerichteten Regimegegnern in Massengräbern verscharrt. Die zum Teil im Winter 2015 aufgenommenen Satellitenfotos würden auf ein Krematorium hinweisen. Ringsum liege Schnee, nur just auf dem Dach der mutmaßlichen Verbrennungsanlage sei er geschmolzen. Jones und US-Medien führten zudem Zeugen an, die von Verbrennungen berichteten, und vom Geruch von verbranntem Haar. Damaskus streitet die Beschuldigungen als Hollywood-Fabrikation ab.

AUF EINEN BLICK

Sednaya. Im Militärgefängnis nördlich von Damaskus hat das Assad-Regime nach Angaben von Amnesty International Massenhinrichtungen an Oppositionellen vollzogen. Im Zeitraum von 2011 bis 2015 sollen dort bis zu 13.000 Menschen exekutiert worden sein. Zeugen berichteten von Misshandlungen und Folter. Nach Darstellung des US-Außenministeriums hat das Regime dort 2015 ein Krematorium errichtet, um den Massenmord an politischen Gefangenen zu vertuschen. Es verweist auf Satellitenfotos. Damaskus bestreitet die Vorwürfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2017)

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