Brandstetter will "Kassasturz" für Regierungsprojekte

Vizekanzler Wolfgang Brandstetter
Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (c) Clemens Fabry (Presse)
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Das Potenzial der rot-schwarzen Regierung wurde nicht voll ausgeschöpft, vieles sei im Streit untergegangen, bedauert der neue Vizekanzler: "Es war wirklich oft zum Mäusemelken." Ob er bei der vorgezogenen Nationalratswahl kandidiert, ließ er offen.

Der neue Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will einen "Kassasturz" für die noch ausstehenden Regierungsprojekte. Umgesetzt werden soll, was sich rasch realisieren lässt, erklärte er am Mittwochnachmittag bei einem Hintergrundgespräch. Offen ließ er ein Antreten bei der vorgezogenen Nationalratswahl, mit dieser Frage habe er sich noch nicht beschäftigt, meinte der parteifreie Justizminister.

Brandstetter betonte, er habe am Mittwoch im Parlament ein "sehr konstruktives" Gespräch mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) geführt. Erfreut zeigte sich der Vizekanzler außerdem über die vier gemeinsamen Anträge im Nationalrat, darunter die Forschungsquote und die Staatszielbestimmung für den Wirtschaftsstandort. Die Frauenquote in den Aufsichtsräten hingegen sei zurückgestellt worden, da noch legistische Details zu klären seien, so der Justizminister. Offen sei etwa, ob die Vorgabe auch für die Arbeitnehmervertreter gelten soll.

Nun soll mit der SPÖ geklärt werden, welche Projekte noch gemeinsam umgesetzt werden können, bekräftigte Brandstetter. Auf konkrete Themen wollte er dabei nicht eingehen, auch nicht auf Zahlenspiele, wie viele es noch seien. Nicht abschreiben wollte er daher auch die Bildungsreform. Er räumte aber ein, dass es sich hierbei um ein wesentlich komplexeres Thema als etwa die Erhöhung der Studienbeihilfe handelt. Auch bei der vorerst gescheiterten Gewerbeordnung soll nun besprochen werden, was noch möglich ist, betonte der Vizekanzler.

Aus seinem Justizressort befinde sich das Paket zur Strafprozessordnung (StPO) mit einer Nachfolgeregelung zur früheren Vorratsdatenspeicherung in Abstimmung mit dem Koalitionspartner. Mit der Möglichkeit zur Überwachung von Whatsapp und Skype soll eine "Lücke" bei der Telefonüberwachung geschlossen werden. Fertig wäre aus seiner Sicht auch eine Reform des Privatstiftungsrechts. Unerledigt sei noch etwa das Fremdenrecht oder das Sicherheitspolizeigesetz.

"Es war wirklich oft zum Mäusemelken"

Jetzt gebe es jedenfalls eine neue Situation, in der die Regierungsarbeit "abgewickelt" werden soll, eine Art "Kassasturz", in der es ausschließlich um die sachpolitische Umsetzung gehe, so Brandstetter. Daran sei auch Bundeskanzler Kern gelegen, berichtete der Vizekanzler und sieht gute Chancen zur Umsetzung. Nächste Woche soll ein weiteres Gespräch der beiden stattfinden, zumal noch nicht alle Themen besprochen wurden, so etwa der Mindestlohn und die Arbeitszeitflexibilisierung. Brandstetter ist generell der Meinung, das Potenzial der Regierung sei nicht voll ausgeschöpft worden und vieles im Streit untergegangen: "Es war wirklich oft zum Mäusemelken."

Jetzt soll jedenfalls Chaos verhindert werden und dieser Aufgabe sieht er sich gewachsen. "Das ist kein Neustart, sondern eine Erledigung", stellte Brandstetter fest. Die Koordinierung werde es weiterhin geben, auch wurden laufende Gespräche mit Kern vereinbart. In Abstimmung sei er natürlich auch mit dem neuen ÖVP-Obmann und Außenminister Sebastian Kurz. Der neue designierte ÖVP-Chef hatte erklärt, er wolle die SPÖ im Nationalrat nicht überstimmen. Was passiert wenn die SPÖ dies tut, ließ Brandstetter offen und verwies auf Kurz. Überhaupt hält er diese Überlegungen für überschätzt, zumal es nun ohnehin schon die Neuwahl gebe: "Was soll passieren?"

Von der Frage nach einer etwaigen Kandidatur bei der Nationalratswahl zeigte sich der parteifreie Minister "überrascht": "Mit der Frage habe ich mich noch nicht beschäftigt." Dass er den Posten des Vizekanzlers übernimmt, dazu habe er sich nach einem längeren Telefongespräch mit Kurz entschieden. Für die Aufgabe werde er nun ein, zwei zusätzliche Mitarbeiter brauchen. Er selbst betonte: "Sie haben einen Vizekanzler vor sich ohne politische Ambitionen." Warum er sich diesen Job nun überhaupt antut, wurde er auch gefragt und erklärte: "Besonders schwierige Aufgaben haben mich immer ganz besonders gereizt."

(APA)

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