Najem Wali: Babel ist überall

Die Geschichte vom Turmbau zu Babel könnte uns eines lehren: Die Zerstreuung der Menschheit über die Erde war ein Segen und kein Fluch. Denn je mehr wir Fremde werden, desto mehr beheimaten wir die Welt.

Als ich vor rund 36 Jahren ins Exil ging, hatte ich 300 Dollar dabei und außerdem drei Bücher: „Die Früchte der Erde“ von André Gide, „Vom großen Aufstand“ von Henry Miller und „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel García Márquez. Das war meine ganze Beute aus einem Land, das so reich gewesen war an allem und in der Vernichtung endete. Mir war damals nicht bewusst, dass es sich gerade bei dieser Beute, so armselig sie erscheinen mochte, doch um einen Schatz handelte, den kein reicher Fang, weder Gut noch Geld, ersetzen konnte. Drei Bücher von Autoren unterschiedlicher Nationalität, geschrieben in drei verschiedenen Sprachen: Französisch, Amerikanisch und Spanisch, vereint in der arabischen Sprache, in die man sie übersetzt hatte.

Drei Autoren, von denen der erste, André Gide, ein Flüchtling im eigenen Land war. Seinem Umfeld entfremdet, musste er lebenslang gegen Anschuldigungen und Verunglimpfungen kämpfen. Der zweite, Henry Miller, suchte das Exil aus freien Stücken. Er ging in den Dreißigerjahren nach Paris und wurde dort zu einem Angehörigen der Lost Generation, wie außer ihm noch Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Truman Capote, Djuna Barnes – all die amerikanischen Schriftsteller, die sich für ein Leben in Paris entschieden, dem Mekka der Kultur und der Künste. Der dritte allerdings, Gabriel García Márquez, der Kolumbianer, der weltweit zur literarischen Legende werden sollte, musste ins Exil fliehen. Damals trampelten Soldatenstiefel die Menschen in Lateinamerika nieder. Und García Márquez war nicht der einzige Lateinamerikaner, der ins Exil ging, eine große Zahl seiner Kollegen tat es ihm gleich, einige davon ungefähr in seinem Alter, wie Mario Vargas Llosa oder Julio Cortázar. Andere hatten schon vor ihm in Paris gelebt, zum Beispiel Miguel Ángel Asturias, César Vallejo, Pablo Neruda, Octavio Paz. Später sollte man sie die „Boom-Generation“ nennen. Doch alle, egal in welchesLand sie flüchteten, schrieben weiter in ihrer Muttersprache.

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