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Mit dem Brexit droht ein Fischereikrieg

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Themenbild: Fischereiindustrie/ EU(c) APA/AFP/FRED TANNEAU
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London will mit dem EU-Austritt auch die Kontrolle über seine Fischereigebiete zurückerlangen. Doch Dänemark ist eines von acht EU-Ländern, die sich den Zugang weiterhin sichern wollen.

Stockholm. Die Freude über den Austritt aus der Europäischen Union war gerade bei den Fischern Großbritanniens riesig. Bislang dürfen Fischer aus anderen EU-Ländern bis zwölf Meilen vor der britischen Küste fischen. Rund ein Drittel ihres Fangs stammt bislang aus britischen Gewässern. Doch mit dem Brexit könnte London eine 200-Meilen-Sperrzone um seine Inseln ziehen – dabei handelt es sich um die sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone, die einem Meeresanrainer gemäß UN-Seerechtsübereinkommen das alleinige Recht zur ökonomischen Ausbeutung aller Meeresressourcen gibt. Ein Großteil der Nordseegewässer würde dann für EU-Fischer wegfallen. Laut der EU-Fischereiindustrie würden damit rund 50 Prozent ihres Nettogewinns und 6000 Arbeitsplätze wegfallen.

Noch ist aber unklar, was passiert. Offiziell heißt es jedoch bereits, die britische Regierung plane, „die Kontrolle“ über die eigenen Fanggründe „zurückzugewinnen“. Das EU-Land Dänemark will das auf unkonventionelle Weise verhindern. Es ist derzeit dabei, eine Klage vorzubereiten, die seinen Fischern auch nach dem EU-Austritt Großbritanniens den Zugang erlauben soll. Für den Fall, dass kein für Dänemark zufriedenstellender Kompromiss bei den Austrittsverhandlungen zustande kommt, will sich Kopenhagen auf eine historische Fischereierlaubnis aus dem 15. Jahrhundert berufen. Dänische Behörden sammeln derzeit Beweise für eine mögliche Klage vor dem Internationalen UN-Gerichtshof in Den Haag. Dies bestätigte Dänemarks Außenminister, Anders Samuelsen, der britischen Zeitung „Guardian“.

 

„Britische Forderung ist Blödsinn“

„Dänische Fischer haben historisch in der ganzen Nordsee gefischt. Die EU-Fischereirichtlinien haben das basierend auf historischen Rechten reguliert“, sagt er. Kopenhagen will sich auf die UN-Konvention zum Seerecht berufen, die Staaten dazu auffordert, „traditionelle Fischereirechte“ zwischen benachbarten Ländern in den jeweiligen Hoheitsgewässern zu respektieren. „Die britische Forderung, die Gewässer wiederzubekommen, ist Blödsinn, weil sie sie nie hatten. Vielleicht gilt das für Öl und Gas, aber nicht für Fisch“, sagte Niels Wichmann, Chef des dänischen Fischereiverbandes, der auch in einem Komitee des dänischen Lebensmittelministeriums sitzt, dem „Guardian“.

Dänische Fischer fangen laut amtlichen Schätzungen derzeit rund 40 Prozent ihrer Fische in der Wirtschaftszone Großbritanniens. Einige dänische Küstengemeinden sind wirtschaftlich fast vollständig vom Zugang abhängig.

Sollte es hart auf hart kommen, könnten sich sieben weitere vom britischen Fisch abhängige EU-Länder der dänischen Initiative anschließen. Spanien, Frankreich, Irland, die Niederlande, Belgien, Schweden und Polen haben sich mit Dänemark in der kürzlich wegen des Brexit gegründeten Europäischen Fischereiallianz zusammengeschlossen, um ihre Rechte durchzusetzen.

 

Binnenmarkt als Druckmittel

Derzeit hoffen sie noch auf einen Kompromiss bei den demnächst beginnenden Verhandlungen über die Modalitäten des britischen EU-Austritts (siehe unten). Auch wenn zahlreiche britische Küstenorte sehr von der Fischerei abhängig sind, ist sie für Großbritanniens Wirtschaft im Großen und Ganzen ein eher geringer Posten. Ihr Anteil liegt bei 0,5 Prozent der britischen Wirtschaftsleistung. Bei den EU-Austrittsverhandlungen gibt es andere Interessen, die zentraler für London sein dürften.

Vor allem aber ist die britische Fangflotte abhängig davon, Zugang zum EU-Markt zu erhalten, um Fisch verkaufen zu können. Letztlich erhoffen sich die anderen Fangnationen hier einen effektiven Hebel.

Vor allem die Schwarmfischarten Hering, Blauer Wittling und Makrele werden in britischen Gewässern gefangen. Auch Norddeutschlands Fischer wären betroffen. Rund die Hälfte der deutschen Fangmenge und 30 Prozent der Gesamtumsätze der deutschen Fischerei wären betroffen, sollte Großbritannien seine Fangzonen absperren.

AUF EINEN BLICK

Ausschließliche Wirtschaftszone. Dabei handelt es sich gemäß UN-Übereinkunft um ein Meeresgebiet, das sich über 200 Seemeilen jenseits der Küstenbasislinie eines Meeresanrainers erstreckt – innerhalb dieser Zone hat ein Staat das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Ausbeutung. Für die Brexit-Verhandlungen ist das Thema heikel, weil die Fangflotten der EU Schätzungen zufolge rund die Hälfte ihres Nettogewinns in britischen Gewässern erwirtschaften. Vor allem Hering und Makrele werden dort gefangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2017)


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