Für „diese Sache“ gibt es keinen Schönheitspreis

Ein politischer „Retter“ verlangt meist nur eines vom Geretteten: Dankbarkeit.

Unabhängigkeit führt die Politik stets als hehres Ziel an, wenn sie ein neues ORF-Gesetz aushandelt. Bei der Novelle im Jahre 2001 rühmte die damals neue schwarz-blaue Koalition ihre „Entparteipolitisierung“ des Rundfunks. Sie wirkte aber nicht. Und auch nach dem Ministerrat am Dienstag betonte diesmal die rot-schwarze Koalition bei der Einigung auf eine Gesetzesnovelle stolz die Sicherung eines „unabhängigen, eigenständigen ORF“. Auch das ist eine Scheinbehauptung. Abgesichert wurde wieder nur das Proporzsystem.

Ein unabhängiger ORF? In welchem Sinn? Wirtschaftlich auf keinen Fall: 160 Millionen Euro erhält der ORF zusätzlich zu den Gebührengeldern, erreicht wird dadurch aber keine Sanierung, sondern noch mehr Abhängigkeit.

Ein politisch unabhängiger ORF? Wie sieht das Medienstaatssekretär Josef Ostermayer: Er habe Bedingungen ausverhandelt, die den ORF „retten“. Solch ein politischer „Retter“ verlangt meist nur eines vom Geretteten: Dankbarkeit. Das ist ein menschlicher Zug. Selbst Kanzler Werner Faymann weiß, wie man diese zeigt. Die SPÖ hat sich auf den Deal eingelassen, „ihrem“ Generaldirektor Alexander Wrabetz einen schwarzen Direktor zur Seite zu stellen. Dieser Mann ist 160Millionen Euro wert. Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer sprach bei einem Mediensymposium in Graz vergangene Woche in dem Zusammenhang ganz offen und unabhängig von einem „paradigmatischen Fall: Kaufmännischer Direktor – dann gibt's ein Geld“. Denn auch die ÖVP kann dankbar sein.

On the records, wie es im Journalistenjargon heißt, wird das kein aktiver Politiker bestätigen. „Sie kennen sich ja eh aus“, heißt es augenzwinkernd. Oder: „Sie werden Ihre Schlüsse ziehen.“ Das zum Beispiel hat Ostermayer nach dem Ministerrat noch angefügt; offiziell habe er beim Verhandeln natürlich strikt zwischen Personalia und den gesetzlichen Bedingungen für den ORF getrennt, sagt er. „Schönheitspreis wird die Sache keinen gewinnen“, ist dann, was man dem ORF off the records entlocken kann. Einzig dessen Zentralbetriebsratschef klagt öffentlich über den „parteipolitischen Postenschacher“. Oder auch: Proporz.

Der hat diesmal, wenn es um die Spitzenposten geht, etwas Männerbündlerisches an sich. Eben erst wird in der Gesetzesnovelle eine Frauenquote von 45Prozent festgeschrieben, schon haben wir die Ausnahme, mit der die einzige ORF-Direktorin zum Rücktritt gezwungen wird: „Ausgenommen sind Geschäftsführungs- und Gremienebene.“ Übersetzt in die Sprache der österreichischen Medienpolitik heißt dies: „Und tschüss, Frau Mayerhoffer! War schön, mit Ihnen Budgetdefizite zu produzieren. Und jetzt kommt sogar noch die schwarze Null!“

Der niederösterreichische Landeshauptmann, Erwin Pröll (ÖVP), wird auch, ganz unabhängig von Wien, dankbar sein. Sein Favorit, Richard Grasl, kommt in die Geschäftsführung auf dem Küniglberg. Was diesmal nicht gelungen ist: den Schein zu wahren – den Schein eines parteipolitisch unabhängigen ORF.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2009)

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