Die Nachfrage nach günstigen Wohnungen steigt. Doch im Vorjahr ist die Zahl der von gemeinnützigen Bauvereinigungen fertiggestellten Wohnungen um 19 Prozent gesunken.
Wien. Alle Parteien sind sich einig, dass es mehr leistbare Wohnungen geben soll. Doch im Vorjahr ist die Zahl der von gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) fertiggestellten Wohnungen zurückgegangen. Konkret wurden von den 186 gemeinnützigen Bauvereinigungen 14.839 Wohnungen fertiggestellt. Das ist gegenüber 2015 ein Minus von 19 Prozent, wie der Verband der GBV am Dienstag erklärte. Für heuer wird ein Anstieg um zehn Prozent erwartet.
Der Rückgang im Vorjahr ist vor allem auf das Baugeschehen in Wien zurückzuführen. Nach dem Spitzenjahr 2015 mit 6377 Neubauwohnungen (was unter anderem mit dem ersten Abschnitt der Seestadt Aspern zusammenhing) haben die Wiener GBV im Vorjahr nur 3392 neue Wohnungen übergeben. Für heuer wird in Wien ein Anstieg auf 3680 Wohnungen und für 2018 auf 5651 Wohnungen erwartet. Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wien verzeichnet seit Jahren die höchsten Bevölkerungszuwächse aller Bundesländer. Zu Jahresbeginn lebten in Wien 1,867 Millionen Menschen. Infolge der starken Zuwanderung dürfte die Bundeshauptstadt 2022 die Zwei-Millionen-Marke überschreiten. Die Nachfrage nach geförderten Wohnungen steigt. Bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen ist die Miete um rund 20 Prozent unter dem Niveau von privaten und gewerblichen Vermietern. Mit einem Verwaltungsbestand von 650.000 Miet- und Genossenschafts- sowie 260.000 Eigentumswohnungen lebt bereits jeder fünfte Einwohner in Österreich in einer von Gemeinnützigen verwalteten Wohnung.
Das Problem mit dem Bauland
Warum wird der soziale Wohnbau nicht mehr unterstützt? Angesichts der niedrigen Zinsen mangelt es nicht am Geld, das Hauptproblem sind vielmehr die massiv gestiegenen Grundstückspreise. Nicht nur in Wien, sondern auch im Umland gibt es kaum noch Bauland zu vertretbaren Preisen. Im niederösterreichischen Tullnerfeld beispielsweise steigen die Grundstückspreise jährlich um 15 Prozent. Die Eigentümer verkaufen die Grundstücke lieber an private und gewerbliche Bauträger, weil diese mehr zahlen.

In Wien kosten Grundstücke in durchschnittlichen Lagen bereits zwischen 600 und 700 Euro pro Quadratmeter. Doch die Gemeinnützigen müssen sich an die in der Wiener Wohnbauförderung festgelegte Grenze von 300 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche halten. Daher steigt der Anteil der gemischten Projekte. Damit sich der geförderte Teil rechnet, werden etwa die Wohnungen in den oberen Stockwerken frei finanziert vergeben. Doch wenn die Grundstückspreise weiter massiv steigen, sind auch die gemischten Projekte immer schwerer zu finanzieren.
Karl Wurm, Obmann des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen, verlangt daher gesetzliche Maßnahmen. Im Regierungsprogramm von Ende Jänner haben SPÖ und ÖVP vorgeschlagen, dass bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand in Bauland 25 Prozent als Vorbehaltsflächen für den förderbaren Wohnbau vorbehalten werden. „Das würde die Situation in Wien entlasten“, sagt Wurm.
Stellt sich nach einer bestimmten Frist heraus, dass für die sozialen Wohnungen kein Bedarf besteht, soll das verpflichtende Anbot von 25 Prozent verfallen. Doch wegen der Neuwahlen im Oktober ist die Umsetzung dieses Bereichs aus dem Regierungsprogramm ungewiss. Umstritten ist eine andere Forderung der gemeinnützigen Bauvereinigungen. Laut GBV-Obmann Wurm soll die Regelung der Vorbehaltsflächen auch auf den privaten Sektor ausgedehnt werden. „In meiner Heimatgemeinde in Hagenberg im Mühlviertel passiert das bereits“, so Wurm. Wenn dort etwa ein Landwirt eine Fläche in Bauland umwidmen will, stimme die Gemeinde nur unter der Auflage zu, dass ein bestimmter Anteil der aufgewerteten Fläche preisgünstig für den gemeinnützigen Wohnbau reserviert wird.
Umstrittenes Vorgehen
Auch in Tirol und in Salzburg schließen nicht wenige Gemeinden mit den Grundeigentümern solche Verträge ab. Ob das zulässig ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. In der Vergangenheit hat der Verfassungsgerichtshof allzu harte Auflagen von Gemeinden bei der Umwidmung von Grundstücksflächen als unzulässigen Eingriff in Eigentumsrechte aufgefasst.
Um die Gemeinden hier abzusichern, fordert Wurm ein entsprechendes Gesetz im Verfassungsrang. Dafür müssen im Parlament zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. SPÖ und Grüne sind dafür. Kritische Stimmen kommen von der ÖVP. Laut Wurm gibt es allerdings auch in ÖVP-geführten Gemeinden Auflagen bei der Umwidmung von privaten Grundstücksflächen zugunsten des förderbaren Wohnbaus.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2017)