Bruder des Manchester-Attentäters in Libyen festgenommen

Die Polizei hat die Unterstützung durch die Streitkräfte beantragt.
Die Polizei hat die Unterstützung durch die Streitkräfte beantragt. REUTERS
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Salman Abedis jüngere Bruder wurde in Tripolis von einer Anti-Terror-Einheit festgenommen. Er soll von Anschlagsplänen gewusst haben.

Der in Libyen festgenommene Bruder des Selbstmordattentäters von Manchester wusste nach Angaben der libyschen Polizei von den Anschlagsplänen des 22-Jährigen. H. Abedi habe ausgesagt, dass er ebenso wie sein Bruder Salman Abedi der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) angehöre und sich während der Vorbereitungen zu dem Anschlag in Großbritannien aufgehalten habe, teilte die Polizei der libyschen Einheitsregierung am Mittwoch mit. H. Abedi war nach Angaben eines Verwandten am Dienstag in der Wohnung der Familie in der libyschen Hauptstadt Tripolis festgenommen worden. Er wurde wie sein älterer Bruder in Großbritannien geboren. Am Mittwoch nahm die Polizei in Tripolis auch ihren Vater R. Abedi fest. Salman Abedi hatte sich am Montagabend in Manchester nach dem Ende eines Konzerts der Popsängerin Ariana Grande in die Luft gesprengt. 22 Menschen wurden getötet und mehr als 60 weitere verletzt, darunter viele Kinder und Jugendliche. Der IS reklamierte die Tat für sich.

Abedi wurde 1994 als Sohn libyscher Flüchtlinge in Manchester geboren und soll sich in den vergangenen Jahren dem radikalen Islam zugewandt haben. Den britischen Sicherheitsbehörden war der Studienabbrecher nach Angaben von Innenministerin Amber Rudd bereits vor der Tat bekannt. Die Behörden hätten ihn allerdings als Randfigur eingeschätzt, von der kein hohes Sicherheitsrisiko ausging. Laut dem Verwandten der Familie kehrte Abedi erst vier Tage vor dem Anschlag von einem Besuch in Libyen nach Manchester zurück. "Sein Vater wollte, dass er in Libyen bleibt, aber Salman bestand darauf, nach Manchester zu gehen", sagte der Verwandte, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur AFP.

Suche nach den Hintermännern läuft auf Hochtouren

Die Ermittler suchen derzeit nach Komplizen, die Abedi dabei geholfen haben könnten, die Bombe zu bauen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine anonyme Quelle. Salman Abedi sei Teil eines größeren Netzwerkes gewesen, sagte der Polizeichef von Manchester, Ian Hopkins, am Mittwoch. "Eine Bombe dieser Art zu bauen, verlangt ein gewisses Level an Expertise und Kompetenz", sagte der mit der Angelegenheit Vertraute. Daher konzentrierten sich die Ermittlungen auf ein mögliches Netzwerk. Am Mittwoch nahm die Polizei im Süden von Manchester drei weitere Personen fest. Schon am Dienstag führte die Polizei mehrere Razzien in Verbindung mit dem Attentat durch. Dabei wurde auch ein 23-Jähriger festgenommen. Welche Rolle die Verdächtigen bei der Bluttat gespielt haben könnten, blieb zunächst offen.

Denn noch sei die Terrorgefahr nicht gebannt, gab Premierministerin Theresa May Dienstagabend bekannt - im Gegenteil: Großbritannien hob erstmals seit 2007 die Terror-Warnstufe an. Dies bedeute, dass ein weiterer Anschlag unmittelbar bevorstehen könne. Die Bedrohungslage werde auf Basis der Ermittlungen nun als kritisch eingestuft, sagte May in einer Fernsehansprache nach einer Sitzung des Sicherheitsrats. Die Zudem habe die Polizei die Unterstützung durch die Streitkräfte beantragt, sagte May. Rudd zufolge werden 3800 Soldaten eingesetzt, um Polizisten zu entlasten, damit diese Kontrollgänge und Ermittlungen vornehmen können.

Die Polizei in Manchester teilte am Mittwoch mit, man sei nun sicher, die Identität aller Todesopfer zu kennen. Die Familien seien kontaktiert und würden von Fachleuten betreut. Die Untersuchungen der Leichname werde aber noch vier bis fünf Tage in Anspruch nehmen. Erst danach könnten alle Opfer offiziell namentlich genannt werden.

Was bedeutet die höchste Terrorwarnstufe?

Großbritannien hat am Dienstag erstmals seit zehn Jahren die Terrorwarnstufe auf das höchste Niveau ("critical threat level") angehoben. Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum JTAC beim britischen Inlandsgeheimdienst MI5 hat diese Entscheidung getroffen, weil es ein unmittelbar bevorstehendes weiteres Attentat für möglich hält.

Das JTAC setzt sich aus Experten für Terrorabwehr von Regierung, Polizei und Sicherheitsdiensten zusammen. Das Militär kann nun die Polizei bei Wachaufgaben entlasten und so mehr Polizeistreifen ermöglichen. Auch bei Großereignissen wie Konzerten oder Sportveranstaltungen können Soldaten die Beamten unterstützen. Die militärischen Kräfte stehen dabei unter dem Kommando der Polizei. Die Regierung hat die höchste Sicherheitsstufe in den vergangenen knapp elf Jahren zwei Mal ausgerufen - im August 2006 und im Juni 2007. Die Stufe galt jeweils aber nur wenige Tage.

Islamisches Zentrum distanziert sich

Das Islamische Zentrum in Manchester hat sich unterdessen von dem Attentäter distanziert. "Diese feige Tat hat keinen Platz in unserer Religion oder irgendeiner anderen Religion", sagte Fawzi Haffar vom Moscheeverein am Mittwoch vor Journalisten. Er betonte, die Didsbury Moschee stehe allen Menschen offen und werde von Tausenden genutzt. Nach britischen Medienberichten waren der Vater und ein Bruder des Attentäters in der Islamgemeinde engagiert. Salman Abedi habe dort aber nicht gearbeitet, betonte Haffar.

Offene Fragen

Die Opfer: Viele Details zu den Opfern, etwa wie viele Kinder getötet und verletzt wurden, sind noch unklar.

Das Motiv: Warum genau der Täter das Attentat beging und ob er absichtlich das Konzert mit vielen jungen Besuchern als Ziel auswählte, ist offen.

Der IS-Kontakt: Vieles deutet darauf hin, dass der Täter in Verbindung zur Terrormiliz IS stand. Frankreichs Innenminister Gérard Collomb nennt das unter Berufung auf britische Ermittler "erwiesen", seine britische Amtskollegin Amber Rudd widerspricht aber. Collomb zufolge reiste Abedi vor dem Anschlag nach Libyen und wohl auch nach Syrien, in beiden Ländern ist der IS aktiv. Die Terrormiliz hatte den Täter als ihren "Soldaten" bezeichnet.

Die Verdächtigen: In welcher Beziehung die fünf Festgenommenen zum Täter und zueinander standen, teilte die Polizei zunächst nicht mit. Laut BBC soll einer der Männer Abedis Bruder sein.

(APA/Reuters/dpa/red.)

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