Wien-Wahl: Neue Köpfe, neue Strategien

Wien-Wahl: Neue Köpfe, neue Strategien
Wien-Wahl: Neue Köpfe, neue Strategien(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Die Zeit der fokussierten Unintelligenz, wie Michael Häupl zu sagen pflegt, hat begonnen: Jetzt sind alle Parteien in den Wiener Wahlkampf gestartet.

Wenn Bürgermeister Michael Häupl plötzlich die Stimme des Volkes hören will (Stichwort: Volksbefragung), FP-Chef Heinz-Christian Strache eine Klubklausur veranstaltet, um gegen das „Rote Wien“ zu ätzen, die Grünen einen prominenten Globalisierungskritiker aufnehmen und Christine Marek betont, wie glücklich sie sei, nun endlich die Wiener VP führen zu dürfen, ist klar: Es ist Wahlkampf – die Zeit der fokussierten Unintelligenz, wie der Wiener Bürgermeister zu sagen pflegt, hat begonnen; auch wenn die Wiener Parteien in ihrem Eifer übersehen, dass die Wien-Wahl erst im Oktober 2010 über die Bühne gehen wird. Ein Überblick:

•Die Volksbefragungen der SPÖ. In der Zwischenzeit dürfte es kaum mehr einen Wiener geben, der nicht von der SPÖ befragt wurde: Nach einer Befragung der Befindlichkeit jener Wiener, die in den 220.000 Wiener Gemeindewohnungen leben, hat Häupl nun eine Volksbefragung zum Thema „Wiedereinführung der Hausmeister“ und „24-Stunden-Betrieb der U-Bahn“ angekündigt. Dazu kam am Dienstag eine Umfrage über die Wohnzufriedenheit der Wiener in Passivhäusern – und weitere Themen sollen folgen, wie Häupl am Dienstag präzisierte: Bei der Volksbefragung könnten die Wiener nicht nur über die Wiedereinführung der Hausmeister und des 24-Stunden-Betriebs der U-Bahn abstimmen; sie sollen auch über Fragen zu den Themen Bildung und Soziales abstimmen – wobei diese Fragen noch nicht feststehen, wie Häupl erklärte.

Die Wiener werden von der SPÖ nicht nur befragt, sondern auch gelobt. Allerdings nur Bedienstete der Stadt, denen Häupl vor Kurzem persönlich für deren Einsatz gegen die Wirtschaftskrise gedankt hat. Skurril: Obwohl sich die SPÖ heftig gegen ein Transferkonto wehrt (Stichwort: Neiddebatte), wurde am Dienstag bei der Pressekonferenz des Bürgermeisters fast unbemerkt eine Art „Transferkonto light“ präsentiert; allerdings nur für Bezieher von Leistungen des Fonds Soziales Wien (des Wiener Sozialressorts). Diese erhalten in Zukunft eine Aufschlüsselung, wie viele Leistungen sie bezogen haben und den daraus resultierenden Kostenbeitrag – um Transparenz zu schaffen, wie FSW-Chef Peter Hacker erklärte. Der Effekt: Wer Sozialleistungen bezieht, dem wird künftig vor Augen geführt dass er mehr herausbekommt als einbezahlt – was die Dankbarkeit potenzieller Wähler gegenüber der Wiener SPÖ erhöhen soll.

•Die neue Parteichefin der ÖVP. Johannes Hahn reist entspannt nach Brüssel. Er ist der erste Parteichef der Wiener VP, der freiwillig geht und nicht abgesägt wurde, wie er am Dienstag bei der Präsentation seiner Nachfolgerin Christine Marek launig anmerkte. Die Staatssekretärin präsentierte bei ihrem ersten offiziellen Auftritt als Wiener VP-Chefin – fröhlich und gut gelaunt wie immer – Ziele und Visionen für den Wiener Wahlkampf: „Ich will, dass nach der Wahl in Wien nicht ohne die ÖVP regiert werden kann.“ Während dieses Ziel in den Bereich der Visionen einzuordnen ist (die Wiener VP erreichte bei der vergangenen Wien-Wahl 18,77 Prozent), ist das zweite Ziel der VP-Chefin realistischer – wenn auch nicht viel: Man wolle wachsen und Platz zwei in Wien gegen die FPÖ verteidigen. Thematisch will Marek dabei Kontinuität bewahren und verstärkt auf ihre Themen als Staatssekretärin setzen: Familie und Jugend; dazu Lehrlinge, Integration Wirtschaft, Bildung. Nebenbei: Auch beim Thema „Kooperation mit der Strache-FPÖ“ beweist Marek Kontinuität und setzt die Schlangenlinie ihres Vorgängers fort: Auf Fragen nach einer Kooperation mit Strache, um beispielsweise Häupl als Bürgermeister zu stürzen, meint Marek ausweichend: „Es ist die Frage, ob Strache bereit ist, in Wien Verantwortung zu übernehmen. Denn er tritt bei jeder Wahl östlich vom Arlberg immer als FPÖ-Spitzenkandidat an.“ Zur dezidierten Abgrenzung von Strache ließ sich Marek nicht hinreißen. Für sie ergibt sich eine attraktive Perspektive. Wenn die VP im Duell Häupl-Strache nicht zerrieben wird, die SPÖ ihre absolute Mehrheit verliert – wie es Umfragen vorhersagen – könnte Marek Vizebürgermeisterin einer rot-schwarzen Koalition werden. Und wenn es trotz allem für die erste Frau an der Spitze Probleme gibt, würde Johannes Hahn mit Rat und Tat zur Seite stehen: „Ich bin ja nicht aus der Welt. Ich befinde mich noch in Europa.“

•Grüner Globalisierungskritiker. Seit Sonntag sind Wiens Grüne im Wahlkampf – nachdem die Kandidatenliste basisdemokratisch, ohne erwartete Turbulenzen gewählt wurde. Neben der alten Garde hat es als einziger Quereinsteiger der prominente Globalisierungskritiker Klaus Werner-Lobo auf die Liste geschafft. Wie bei den Grünen zu hören ist, soll er im Wahlkampf „eine sichtbare Rolle“ spielen.

AUF EINEN BLICK

Klaus Werner-Lobo. Der prominente Globalisierungskritiker und Buchautor schaffte als einziger Quereinsteiger einen sicheren Listenplatz auf der Liste der Wiener Grünen. Der 42-Jährige studierte Umweltbiologie, Romanistik, Germanistik und Schauspiel, Letzteres in Rio de Janeiro. Von 1995 bis 2000 war er Sprecher des Ökologie-Instituts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2009)

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