Sex-Bloggerin: Frau Doktor war ein Callgirl

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wer ist diese Frau? „Belle de Jour“, Großbritanniens berühmteste Edelnutte mit Web-Tagebuch, hat sich geoutet: Die 34-Jährige ist Ärztin und Forscherin. Jetzt hagelt es Kritik.

Wer ist diese Frau, die ihre Erlebnisse als Edelnutte so detailreich im Internet beschrieben hat, und ihr privates Sexleben dazu? Lange war "Belle de Jour" das gut gehütete Pseudonym von Großbritanniens berühmtester Sex-Bloggerin. Jetzt hat die Autorin des gleichnamigen Blogs (belledejour-uk.blogspot.com) auch ihre letzten Hüllen fallen lassen. "Ich bin es", sagte Brooke Magnanti am Wochenende mutig der "Sunday Times". Und schob einen beachtlichen Lebenslauf hinterher: abgeschlossenes Medizinstudium, Spezialistin für Krebsepidemologie und Nervengifte, Ärztin am St. Michael's Hospital in Bristol und Forscherin an der University of Bristol.

Die 34-jährige Frau Doktor hat ihre Zeit offenbar gut genützt. Zum Studieren – und vor ihrem Abschluss 2003 und 2004 für 14 Monate auch als Edelnutte. "McJobs" waren Magnanti damals zu wenig, um ihr Studium zu finanzieren, sie wollte Geld, und das schnell. 200 britische Pfund (225 Euro) in der Stunde kamen ihr da gerade recht, sie wurde Callgirl in London. Zwei Stunden dauerten ihre "Sessions", und davon gab es mehrere in der Woche. Wie viele es insgesamt waren, das wisse sie nicht mehr. Es könnten auch hunderte gewesen sein.

Tachengeld für "Belle"

Als Kellnerin oder Putzfrau hätte sie im Internet auch nicht so viel zu erzählen gehabt wie als Edelhure, als "Belle de Jour". Der Name ist angelehnt an den gleichnamigen Film von Luis Buñuel aus dem Jahr 1967. In der Hauptrolle: Catherine Deneuve, der Inhalt. Das Doppelleben einer Bürgersfrau, die sich langweilt und in einem einschlägigen Pariser Etablissement etwas dazuverdient.

Technik für "Belle"

Die "Belle" der 2000er-Jahre wusste auch genau, wie's geht, mit den Kunden und zu Hause. "Er ist ein paar Mal in mich eingedrungen, dann hat er aufgehört, ich schaute ihn nur noch an, was machte er da?" Solche Zeilen kamen der Autorin in ihrer virtuellen Welt leicht über die Lippen. So wie die "fünf Dinge, die ich an Technik mag", darunter ein "Viel-Geschwindigkeits-Vibrator", von dem sie aber viele Zusätze gar nicht verwende.

Die Schöne zum Nachlesen

Wollte die Welt das wirklich alles wissen? Offenbar schon. Mehrere Millionen User haben seit 2003 den Blog der "Schönen des Tages" verschlungen. Und für "Belle de Jour" alias Brooke Magnanti klingelte die Kasse: Zum Web-Tagebuch kamen Bücher ("The Intimate Adventures of a London Call Girl" 2005, "The Further Adventures of a London Call Girl" 2006). Zuletzt wies „Belle“ den Weg zu einem Mann: "Guide to Men" heißt ihr jüngstes Werk. Dazwischen lagen noch eine TV-Serie ("Secret Diary of a Call Girl" mit Billie Piper) und eine Kolumne im "Sunday Telegraph" von 2005 bis 2006.

Vom Verflossenen erpresst

Und alles aufgebaut auf Anonymität. Warum also hat Magnanti ihren Schutzschild jetzt fallen gelassen? Offenbar hatte ein Exfreund gedroht, ihre Identität zu lüften. Da trat die Forscherin die Flucht nach vorn an, die "Sunday Times" bekam ihren Knüller.

Mutter ist stolz auf sie

Das Happy End für Frau Dr. Magnanti ist freilich noch nicht vollkommen: Schon melden sich neue Kritiker, die in ihren Blog-Einträgen eine "Verharmlosung" der Arbeit mit dem Sex sehen. Wobei "Belle" Prostitution nie als schlecht, aber auch nicht ausdrücklich als gut, jedoch in ihrem Fall als selbstbestimmt präsentiert hat. "Ihre Erfahrungen als Prostituierte entsprechen nicht der Norm; sie hatte Glück, denn normalerweise bringt die Prostitution, verkürzt gesagt, Frauen schlichtweg um", schrieb Tanya Gold vom "Guardian".

Immerhin: Magnantis Arbeitgeber, die Universität Bristol, stellte sich hinter sie. Und auch ihre Mutter Susan: Sie ist sogar stolz auf die – gesamte – Laufbahn ihrer Tochter. So schön kann der Tag einer "Belle de Jour" sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2009)

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