Der neue Präsident Macron wollte Russlands Staatschef Putin zeigen, dass Frankreich ein Gesprächspartner ist – doch einer, der sich nicht einschüchtern lässt.
Paris. Im Schloss von Versailles hatte vor exakt 300 Jahren Zar Peter der Große dem damals erst siebenjährigen König Louis XV. einen Höflichkeitsbesuch abgestattet – und eine lange Geschichte der diplomatischen Kontakte eingeleitet. In Versailles fand auch am Montag eine historische Begegnung statt: Der französische Staatschef, Emmanuel Macron, lud Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, zu einem Arbeitstreffen ein, das die französisch-russischen Beziehungen auftauen soll. Er wolle dabei mit Putin einen „Dialog mit einer festen Haltung“ aufnehmen, so Macron vorab.
Denn der von ihm am Rand einer Ausstellung mit Gemälden des historischen Zarenbesuchs am französischen Königshof organisierte Empfang ist gerade wegen Putins unnachgiebiger Haltung in mehreren Streitfragen kritisiert worden. Auch wegen der Menschenrechtslage in Russland oder der Verfolgung der Homosexuellen in Tschetschenien war der Besuch aus Moskau auf Ablehnung gestoßen. Diese Themen hat Macron bei der Unterredung, die viel länger als geplant dauerte, angeschnitten. „Ich habe daran erinnert, welche Bedeutung für Frankreich der Respekt aller Minderheiten hat“, sagte der frischgebackene französische Staatschef, der sich auch in einer anderen Frage konfrontationsfreudig zeigte: Bei der Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen kritisierte Macron russische Nachrichtensender für die Verbreitung von Propaganda und Falschnachrichten im Vorfeld der französischen Präsidentenwahl. Der Gast aus Moskau versuchte wiederum, den Eindruck zu zerstreuen, er hätte Marine Le Pen, die Präsidentenkandidatin des rechtsextremen Front National (FN), den Rücken stärken wollen, als er sie im Vorfeld des Votums in Moskau empfing: Die FN-Chefin sei mehrfach in Moskau gewesen, sie sei stets für ein enges Verhältnis zu Russland eingetreten. „Warum hätten wir ihr absagen sollen?“, fragte Putin.
Abseits der Dissonanzen gab es allerdings auch Gemeinsamkeiten: Macron wie Putin wünschen wegen der anhaltenden Spannungen in der Ukraine eine neue Zusammenkunft im so genannten Normandie-Format. Die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus bezeichnen beide als die gemeinsame Priorität. Punkto Syrien sprach sich Frankreichs Präsident für eine Zusammenarbeit mit Russland bei der Bekämpfung militanter Gotteskrieger aus. Doch zugleich kündigte er militärische Vergeltung an, sollten in Syrien erneut Chemiewaffen zum Einsatz kommen. Bisher hat Frankreich die von Russland unterstützte syrische Regierung für Giftgasangriffe in dem Konflikt verantwortlich gemacht.
Spannungen durch Krim-Krise
Während der erst vor Kurzem zu Ende gegangenen Präsidentschaft François Hollandes war Putin in Paris Persona non grata. Die Gründe für die Abkühlung können weniger mit bilateralen Interessengegensätzen erklärt werden als mit dem geopolitischen Auseinanderdriften zwischen einem expansiven Russland und einem auf die Wahrung bestehender Grenzen beharrenden Europa. Auf die Krim-Krise 2014 folgten die russische Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine und Blockaden von UNO-Resolutionen gegen den syrischen Herrscher Bashar al-Assad. Der vorläufige Tiefpunkt wurde erreicht, als Hollande die Auslieferung von bereits bezahlten Schiffen an die russische Marine stoppte und den zur Einweihung einer russisch-orthodoxen Kathedrale in Paris erwarteten Putin auslud.
Weniger bekannt in der Öffentlichkeit ist auch das Seilziehen um die Entschädigung der vom russischen Staat enteigneten Aktionäre des Erdölkonzerns Yukos. Es geht dabei um 50 Milliarden Dollar und die mögliche Beschlagnahmung russischer Guthaben durch die französische Justiz. Die russische Führung droht für diesen Fall mit Vergeltungsmaßnahmen. In keiner dieser Fragen hat Macron irgendeinen Hinweis auf eine Bereitschaft zum Nachgeben gegeben. Noch auf dem G7-Treffen in Taormina hat er die Notwendigkeit der Sanktionen gegen Russland verteidigt.
Diese Streitfragen standen nicht wirklich im Zentrum des Treffens. Sie werden eher im multilateralen Rahmen oder, was die Ukraine betrifft, zusammen mit Deutschland bei den Treffen im Normandie-Format erörtert. Für Macron ging es mehr darum, seinen Gast mit dem Prunk von Versailles zu beeindrucken und ihm zu zeigen, dass er mit ihm in Paris – und in Europa – einen Gesprächspartner hat, aber einen, der sich nicht einschüchtern lässt.
Putin erklärte, er sei entzückt vom Empfang in diesem prächtigen Rahmen voller Symbole. Macron hat mit diesem Empfang am Ende mehrerer internationaler Treffen seinen diplomatischen Einstand gegeben. Und in den französischen Medien herrscht die Meinung vor, dass es ein „fehlerfreies“ Debüt war, das eine Rückkehr Frankreichs auf die internationale Bühne einleiten soll.
AUF EINEN BLICK
Der russische Staatschef, Wladimir Putin, traf am Montag im Schloss Versailles mit dem neuen französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, zusammen. Macrons Einladung für Putin war in Frankreich umstritten. Grund dafür: Moskaus Politik in Syrien und der Ukraine und die prekäre Menschenrechtslage im zu Russland gehörenden Tschetschenien. Der Front National von Marine Le Pen begrüßte jedoch den Besuch aus Moskau. Macron hatte vorausgeschickt, mit Putin „einen Dialog mit fester Haltung“ führen zu wollen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2017)