Wollen wir wirklich nur gute Verlierer sein?

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Themenbild: Gute Verlierer(c) Clemens Fabry
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Österreich rutscht in Sachen Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. Keine Panik, beruhigt IMD-Chef Arturo Bris. Österreich mache "fast alles richtig", nur die Konjunktur sei zu schwach. Die Zukunft des Wachstums sieht er in Europa.

Wien. Damit die Wirtschaft floriert, braucht sie Stimmung, und zwar richtig gute Stimmung. Und da Österreich wiederum ein wenig Wachstum ganz gut vertragen könnte, hier eine kleine Trainingseinheit für Optimisten und solche, die es werden wollen: Österreich verliert im gestern veröffentlichten Wettbewerbsranking des Schweizer IMD-Instituts erneut an Boden und landet nur noch auf dem 25. Platz. Und trotzdem ist die Welt irgendwie in Ordnung.

So sieht das zumindest Arturo Bris, der Direktor jenes Lausanner Instituts, dessen Bestandsaufnahmen in Sachen Konkurrenzfähigkeit hierzulande in der Vergangenheit bereits zu heftigen Kontroversen geführt haben. „Österreich ist ein Land, das fast alles richtig macht“, sagt er im „Presse“-Gespräch. Bildung, Digitalisierung, Regulierung – bei allen entscheidenden Zukunftsthemen stimme seiner Meinung nach der Kurs. Und dennoch: „In kaum einem Land gibt es so viel Pessimismus wie hier.“

Rangliste nach Wettbewerbsfähigkeit
Rangliste nach WettbewerbsfähigkeitQuelle: IMD / Grafik: "Die Presse" LK

„Österreich ist ein sehr teures Land“

Das mag sein, aber warum ist das so? Liegt es an den Ansprüchen, die sich manche auch hierzulande noch erlauben? Nur zur Erinnerung: Vor zehn Jahren war der Standort Österreich mit Platz elf noch auf dem Sprung in die Top Ten der wettbewerbsfähigsten Staaten weltweit. Heute muss man offenbar mit einem halbwegs abgesicherten Platz im Mittelfeld schon zufrieden sein. Wer dann noch einen etwas tieferen Blick in die Statistiken wirft, die das IMD zusammengetragen hat, dem kann man einen gewissen Pessimismus wirklich nicht mehr verübeln.

Vom Dauerbrenner der drückenden Steuerbelastung (Platz 60 von 63 Staaten) über das komplizierte Prozedere, ein Unternehmen zu gründen (51.), bis zur Schuldenlast des Staates (49.) listen die Schweizer penibel bekannte Schwachpunkte der vergangenen Regierungen in Österreich auf. Da aber zumindest kleine Reformen auf den Weg gebracht wurden, steigt der Staat diesmal sogar etwas besser aus als sonst.

Das genaue Gegenteil gilt für die Wirtschaft. Die Arbeitslosenzahlen gingen 2016 durch die Decke, beim realen Wirtschaftswachstum pro Kopf war das Land unter den Schlusslichtern der EU (54.), Investitionen aus dem Ausland gab es de facto nicht (63.). Und dass Österreichs Produktionsunternehmen besonders verleitet werden, ins billigere Ausland abzuwandern (58.), kann und will Arturo Bris nicht abstreiten. „Österreich ist ein sehr teures Land“, sagt der Ökonom. „Teuer, um hier zu leben und teuer, um hier zu arbeiten.“

Allzu große Hoffnungen, dass sich daran in naher Zukunft viel ändern wird, hat er nicht. Aber: Österreich habe es in seinen Augen immerhin geschafft, die Abwanderung junger Talente zu stoppen. Zurzeit zählt sein Institut nur vier Länder weltweit, die für Hochqualifizierte noch attraktiver seien als Österreich. Zudem werden Mitarbeiter in keinem anderen untersuchten Land so gut ausgebildet wie in Österreich.

Diese Menschen seien das stärkste Kapital des Landes. Sie halten die Unternehmen im Land und helfen ihnen auch, die bevorstehende Digitalisierung zu meistern, so der Ökonom. Tatsächlich schneidet das Land im neuen Subranking Digitalisierung mit Rang 16 deutlich besser als in Summe ab. Gute Noten erhält der Standort für die Cyber-Security (5.), die Innovationskraft der Firmen (6.) und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (5.).

Im globalen Ranking fällt vor allem der Abstieg der USA auf. Amerika rutscht erstmals aus den Top drei (4.). „Das ist definitiv der Trump-Effekt“, sagt Bris. Dabei gehe es weniger um effektive Entscheidungen, die getroffen wurden, sondern vielmehr um die steigende Unsicherheit darüber, was Donald Trump noch tun wird. China konnte auf der anderen Seite besonders viel Boden gutmachen und klettert auf den 18. Platz der wettbewerbsfähigsten Länder.

„Die Zukunft des Wachstums liegt aber in Europa“, ist der IMD-Chef überzeugt. Gute Infrastruktur, gute Bildung und nicht zuletzt offene Volkswirtschaften würden den alten Kontinent in den kommenden Jahren auf die Überholspur bringen. Im IMD-Ranking lässt sich das schon heute ablesen: Lässt man die beiden Stadtstaaten Hongkong und Singapur beiseite, drängen sich Europas Länder schon heute an der Spitze der konkurrenzfähigsten Staaten weltweit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2017)

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