Tag der Entscheidung für Heumarkt

Der geplante 66 Meter hohe Turm am Wiener Heumarkt sorgte für heftige Diskussionen.
Der geplante 66 Meter hohe Turm am Wiener Heumarkt sorgte für heftige Diskussionen.(c) Rendering: Nightnurse
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Wiens Gemeinderat stimmt heute über das Projekt am Heumarkt ab. Ein Ja könnte ein Ende des Welterbestatus bringen, ein Nein Probleme für die rot-grüne Koalition.

Wien. Der 1. Juni 2017 ist ein entscheidender Tag für Wien. Zwar geht es eigentlich nur um den Beschluss für eine Flächenwidmung nahe der Wiener Innenstadt, doch in den vergangenen Monaten wurde daraus geradezu eine Schicksalsfrage.

1 Worüber wird heute im Wiener Gemeinderat nun eigentlich abgestimmt?

Formal geht es um die Absegnung des Flächenwidmungsplans für die Umgestaltung des Heumarkt-Areals. Investor Michael Tojner möchte dort unter anderem ein 66 Meter hohes Haus errichten, wo heute das Hotel Intercontinental steht. Die Fläche des Wiener Eislaufvereins soll erneuert und eine ganzjährig nutzbare Halle gebaut werden. Mitte Mai hat der zuständige Ausschuss die Flächenwidmung mit den Stimmen von Rot und Grün abgesegnet, nun muss noch der Gemeinderat zustimmen.

2 Warum gibt es überhaupt so ein Problem rund um das Projekt?

Einige Anrainer wehren sich gegen die Bebauung. Sie fürchten um das Stadtbild – aber auch um den Status der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe. Die Unesco hat zuletzt die Drohung erneuert, dass man Wien noch im Juli auf eine „rote Liste“ des gefährdeten Welterbes setzen könnte, sollte das geplante Hochhaus gebaut werden. Die Organisation empfiehlt, die Höhe des geplanten Turms von 66 auf 43 Meter zu reduzieren. Politisch brisant wurde es, als Projektgegner bei den Grünen eine parteiinterne Urabstimmung erzwangen. Und tatsächlich stimmten die befragten 1400 Mitglieder der Wiener Grünen mit knapper Mehrheit von 52 Prozent dagegen. Planungsstadträtin Maria Vassilakou, die das Projekt befürwortet – und dem Koalitionspartner SPÖ und Investor Michael Tojner im Wort war –, stand vor einem Dilemma. Denn das Ergebnis der Urabstimmung wäre für die Partei eigentlich bindend. Sie „löste“ das Problem nach einer Krisensitzung so, dass sie den grünen Gemeinderäten die Entscheidung überlässt. In der Hoffnung, dass sich die grünen Abgeordneten für das Projekt entscheiden.

3 Was passiert, wenn es keine Mehrheit für den Flächenwidmungsplan gibt?

Nach den Erfahrungen mit Brexit und Trump fällt es schwer zu sagen, dass etwas sicher nicht passieren wird. Aber zumindest in den Rathausklubs von SPÖ und Grünen geht man davon aus, dass der Flächenwidmungsplan eine Mehrheit bekommt – wobei man in der SPÖ darauf verweist, dass es am Abstimmungsverhalten der Grünen scheitern könnte und umgekehrt. Die FPÖ hat bereits angekündigt, mit Nein zu stimmen. Auch die ÖVP will geschlossen dagegen stimmen – nicht, weil das Projekt an sich schlecht wäre, sondern weil das Unesco-Weltkulturerbe für die Wiener Innenstadt verloren gehen könnte. Und auch die Neos wollen Nein sagen, weil es bei dem Projekt keine Bürgerbeteiligung gebe. SPÖ und Grüne müssen es also wohl alleine schaffen – gemeinsam haben sie 54 von 100 Mandaten. 44 die SPÖ, 10 die Grünen. Sieben Grüne müssten sich also finden. Und wenn nicht? Dann, heißt es von SPÖ und Grünen, werde man weitersehen. Einen Plan B gebe es nicht. Klar ist jedenfalls, dass das Verhältnis in der Koalition darunter leiden würde.

4 Wie geht es weiter, wenn der Gemeinderat die Zustimmung zur Flächenwidmung gibt?

Derzeit schaut der Zeitplan so aus, dass bei einer Zustimmung im Gemeinderat die Straßenumbauarbeiten 2019 beginnen sollen. Die letzte Buchung im Hotel Intercont wäre dann mit 31. Dezember 2020 möglich, danach soll das Hotel während der Eislaufsaison ausgeräumt und danach abgerissen werden. Bis 2022 sollen die Bauarbeiten dauern. Der Eislaufverein soll als Zwischenlösung für zwei Saisonen auf den Schwarzenbergplatz übersiedeln.

Der Investor räumt dem Verein ein gesichertes Mietrecht für 99 Jahre ein, ein entsprechender Vertrag wurde am 30. Mai unterzeichnet. Spannend wird jedenfalls, wie die Unesco reagiert – der Verlust des Welterbes für die Innenstadt könnte eine Konsequenz sein. Eine sogenannte „Draft Decision“, also ein Bericht für die Sitzung des Unesco-Welterbe-Komitees, das von 2. bis 12. Juli in Krakau tagt, ist für den 2. Juni angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2017)


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