EU-Gerichtshof: Bewilligung für Kraftwerk schließt Umwelthaftung nicht aus

Kam es wirklich zu einem erhöhten Fischsterben? Das Archivbild zeigt ein Flussbett in NiederösterreichHarald Hofmeister
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Erhebliche nachteilige Folgen für Gewässer dürfen laut Gerichtshof der EU nicht allein deshalb vom Begriff des Umweltschadens ausgenommen werden, weil sie durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt sind.

Gert Folk kann neue Hoffnung schöpfen. Der steirische Fischer hatte sich darüber beklagt, dass ein Wasserkraftwerk an der Mürz zu einer erhöhten Fischsterblichkeit geführt habe. Folk wollte die Betreiber des Kraftwerks für die behaupteten Umweltschäden verantwortlich machen, scheiterte zunächst aber daran, dass das Kraftwerk über eine wasserrechtliche Bewilligung verfügte. Mit heutigem Tag hat sich Folks Position deutlich verbessert:  Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat ein Urteil gefällt, das zum Umdenken in der Umwelthaftung zwingt.

Das Kraftwerk der Wasserkraftanlagen Mürzzuschlag GmbH war bereits 1998 von der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic bewilligt worden und 2002 in Betrieb gegangen: also vor Inkrafttreten der EU-Richtlinie 2004/35 über die Umwelthaftung. Jahre später beklagte sich Folk In einer Umweltbeschwerde darüber, dass das Kraftwerk die natürliche Reproduktion der Fische beeinträchtige und deren Sterblichkeit erhöhe: Kurzfristige starke Wasserspiegelschwankungen würden nämlich dazu führen, dass üblicherweise benetzte Bereiche sehr rasch austrockneten. Folk machte dafür das Fehlen einer Bypassleitung beim Kraftwerk  und dessen Betriebsweise verantwortlich.

Verwaltungssenat ließ Fischer abblitzen

Der damals noch existierende Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark wies die Beschwerde im Jahr 2012 mit der Begründung ab, dass der behauptete Schaden durch die wasserrechtliche Bewilligung gedeckt sei und daher nicht als Umweltschaden im Sinn des Bundes-Umweltgesetzes eingestuft werden könne. Folk sah es jedoch mit dem EU-Recht unvereinbar, dass jedwede wasserrechtliche Bewilligung eine Umwelthaftung ausschließe. Ob er mit dieser Einschätzung im Recht ist, ließ der Verwaltungsgerichtshof daraufhin durch den EuGH prüfen.

In seinem heute ergangenen Urteil bestätigt das Höchstgericht der EU, dass eine wasserrechtliche Bewilligung nicht automatisch die Haftung für Umweltschäden ausschließe. Zum Ersten sei die EU-Richtlinie über die Umwelthaftung, die spätestens am 30. April 2007 in nationales Recht umzusetzen war, auf Umweltschäden anzuwenden, die auf eine zuvor bewilligte Anlage zurückgingen. Und, zweitens: Die Richtlinie stehe einer nationalen Regelung entgegen, „nach der ein Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer hat, allein deshalb generell und ohne Weiteres vom Begriff des ,Umweltschadens‘ ausgenommen ist, weil er durch eine Bewilligung in Anwendung des nationalen Rechts gedeckt ist“ (C-529/15).

Was bedeutet das für den Fischereiberechtigten? Folk hat damit jedenfalls einmal einen Anspruch darauf, dass ein Prüfverfahren zur Frage durchgeführt wird, ob tatsächlich ein Umweltschaden vorliegt.

Das Urteil im Wortlaut


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