Kosmopolit, Humanist und „erster Europäer“

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Der niederländische Gelehrte Erasmus von Rotterdam gab dem EU-Programm seinen Namen.

Als unehelicher Sohn eines Priesters und seiner Haushälterin im Rotterdam des 15. Jahrhundert geboren zu werden, ist wohl nicht der leichteste Start ins Leben. Doch für Geert Geerts, wie Erasmus von Rotterdam bei der Geburt eigentlich hieß, ist dies kein Problem. Er entwickelt sich zu einem äußerst gelehrigen Schüler, studiert, wird Priester, ist Autor zahlreicher Bücher und wird letztendlich der wohl bedeutendste niederländische Humanist und Gelehrte seiner Zeit.

Er lebt und lehrt in zahlreichen europäischen Städten und kämpft in seinen Schriften schon damals mit Weitblick für das Ideal eines einheitlichen Europa. Die Grundkonflikte, die er beschreibt, sind ähnlich wie heute: Die Einheit Europas ist bedroht durch immer stärkere Aufwallungen nationaler Ideen. Der Schriftsteller Stefan Zweig schreibt in einem Buch über Erasmus, „dass er unter allen Schreibenden und Schaffenden des Abendlandes der erste bewusste Europäer gewesen ist, der erste streitbare Friedensfreund“.

Eine Persönlichkeit, die wohl wie geschaffen ist, dem europäischen Studienaustauschprogramm Erasmus den Namen zu geben. Wenngleich es da noch eine zweite Namensversion gibt: Erasmus ist gleichzeitig eine Abkürzung von „European Region Action Scheme for the Mobility of University Students“.

Guter Rhetoriker und Vielschreiber

Doch kehren wir zurück ins Mittelalter. Wann genau Erasmus von Rotterdam geboren wird ist unklar. Nach Meinung vieler Historiker ist es 1466. Erasmus (den Namen gibt ihm sein Vater nach dem Heiligen Erasmus von Formia) ist ein Junge, der alles Wissen in sich aufsaugt. Er lernt in einer Lateinschule perfekt diese Sprache und schließlich auch Griechisch. Er geht zu den Augustiner-Chorherren, wo er 1492 zum Priester geweiht wird, verlässt das Kloster aber bald wieder und wird Gelehrter, Schriftsteller, Übersetzer; er studiert an der Sorbonne Theologie und studiert auch in England, wo er Thomas Morus kennen und schätzen lernt.

Seine Ideen und Visionen schreibt er nieder und macht sie – dank der jungen Buchdruckkunst – in ganz Europa publik. Er ist ein guter Rhetoriker und vor allem ein Vielschreiber. Über 150 Bücher verfasst er, fast ausschließlich in Latein und Griechisch, dazu veröffentlicht er viele Übersetzungen und 2000 Briefe. 1516 gibt er das Neue Testament in Griechisch heraus. Das wohl bekannteste Werk ist eine Satire, das „Lob der Torheit“ aus dem Jahr 1509.

Obwohl selbst ursprünglich Priester, tritt Erasmus der Kirche sehr kritisch entgegen. Er spart nicht mit harter Kritik am Klerus und frömmelnden Menschen. Doch mit Martin Luther, der damals seine reformatorischen Ideen verbreitet und dabei gegen den Papst auftritt und klerikalen Missbrauch kritisiert, verbindet ihn dennoch nur wenig. Luther ist der rücksichtslose Revolutionär, Erasmus der gemäßigte Reformer.
Erasmus stirbt 1536 in Basel an Typhus. In dieser Schweizer Stadt verbringt er viel Zeit. Doch als ihm das Bürgerrecht angeboten wird, lehnt er ab. „Ich wünsche Weltbürger zu sein.“

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