Kaum drei Wochen nach dem Antritt der neuen französischen Regierung wird gegen Richard Ferrand, Minister und Generalsekretär von Macrons Partei, ermittelt. Auslöser ist ein Immobiliengeschäft von dessen Freundin.
Wie ein Bumerang kommt jetzt die im Wahlkampf so hinausposaunte Forderung nach „Moralisierung“ der Politik und einer weißen Weste der Politiker auf die Partei des neuen Präsidenten, Emmanuel Macron, zurück: Da dessen Bewegung La République en Marche (REM; Die Republik auf dem Weg nach vorn) allen Gegnern, namentlich dem konservativen Kandidaten François Fillon, quasi Unterricht in Sachen Transparenz und Unbescholtenheit erteilt hatte, war es absehbar, dass die neue Regierung diesbezüglich von den Verlierern besonders genau beobachtet wird.
Das muss nun der REM-Generalsekretär und Minister für territorialen Zusammenhalt, Richard Ferrand, Macrons rechte Hand bei der Wahlkampagne, erfahren. Zu seinen Agenden gehören Raumplanung, ländliche Entwicklung und Wohnbau. Wie bei früheren Skandalen begann alles mit einem Artikel im Satireblatt „Le Canard enchaîné“, das eine alte Geschichte enthüllte: Ferrand war 2011 Direktor der Versicherungsgenossenschaft Mutuelles de Bretagne, die in Brest Räumlichkeiten suchte.
Alles für die Liebe
Das attraktivste Pachtangebot, das er dem Verwaltungsrat unterbreiten konnte, kam von einer Immobilienfirma, die seiner heutigen Freundin gehört. Sie bekam den Zuschlag, woran Ferrand indes formal unbeteiligt war. Das Pachtobjekt befand sich zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal im Eigentum der Immobilienfirma: Die bekam erst durch den Zuschlag der Versicherung einen Bankkredit, um das Gebäude überhaupt zu erwerben.
Obwohl Ferrand keinen finanziell messbaren Nutzen aus der Causa gezogen hat, wird er nun verdächtigt, seine Freundin begünstigt zu haben. Die hatte von dem Geschäft jedenfalls profitiert, auch, weil die Pächterin die Renovierungskosten des abgenutzten Gebäudes übernommen und so dessen Wert stark gesteigert hatte.
Illegal war es an sich nicht
Illegal scheint das alles nicht zu sein. Anständig aber sieht's nicht aus. Da der frühere Sozialist jetzt für REM in Carhaix, Département Finistère, bei der Parlamentswahl für seine Wiederwahl als Abgeordneter antritt, will ihm die Opposition einen Strick daraus drehen. Das ist verständlich, denn wer andere zum Guten mahnen will, muss selbst integer sein. Das scheint bei Ferrand nicht unbedingt so zu sein, obwohl die Vorwürfe rechtlich noch irrelevant scheinen.
Daher schloss Ferrand einen Rücktritt aus, Premier Édouard Philippe hat sich vor ihn gestellt. Falls aber nach der Voruntersuchung eine Ermittlung folgt, würde Ferrands Abgang unumgänglich. Denn auf dem Spiel steht Macrons Garantie einer „beispielhaften“ Regierung mit sauberem Leumund.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2017)