Der polternde Präsident Traian Basescu wird es am Sonntag in die Stichwahl schaffen. Trotzdem bangt er um sein Amt. Die Kritik an seinem polarisierenden Stil wächst.
SIBIU. Hell quietschen die Fiedeln über das orangerote Fahnenmeer. Es schnauft die Ziehharmonika im schnellen Takt. Launig brummen die Wartenden in den orangeroten Regenmänteln die eingängigen Weisen mit, die eine füllige Sängerin über den wolkenverhangenen Markplatz von Sibiu (Hermannstadt) schmettert. „Basescu kämpft für dich“, kündet ein über die Bühne gespanntes Banner.
Wahlkampf in Rumänien: Aus ganz Transsylvanien (Siebenbürgen) hat die konservative PD-L in Buskolonnen tausende Anhänger zur Unterstützung ihres Zugpferds nach Sibiu gekarrt. Nicht nur die Morgengaben der Parteien, sondern auch „ein gewisser Druck“ der von diesen kontrollierten Gemeindeverwaltungen trieb die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in die Wahlkampfbusse, berichtet der schlaksige Student Stefan: „Besonders in der Provinz wird geschaut, wer mitfährt – und wer nicht: Und niemand will schließlich seinen Job riskieren.“
„Das Herz am rechten Fleck“
Aus freien Stücken hat sich der Landvermesser Miachai Puistea mit seinem Vater Nicolae zur Kundgebung aufgemacht. Basescu sei ein Patriot und habe das „Herz am rechten Fleck“, begründet der 31-Jährige, warum er bei den Präsidentschaftswahlen erneut für den Amtsinhaber stimmen werde: „Nur Basescu kämpft gegen die Korruption. Die Medien verbreiten ein völlig falsches Bild von ihm.“
Im Zeichen der Wirtschaftskrise und politischer Dauerturbulenzen steigt am kommenden Sonntag Rumäniens Präsidentenkür. Zwar liegt der frühere Schiffskapitän Basescu in den meisten Umfragen mit rund einem Drittel der Stimmen knapp vor seinem sozialdemokratischen Konkurrenten Mircea Geoana(PSD) und Crin Antonescu von der nationalliberalen PNL. Doch obwohl dem 58-Jährigen zumindest der Einzug in die Stichwahl am 6.Dezember sicher scheint, gilt seine Wiederwahl als ungewiss. Mit seiner polarisierenden Amtsführung, mit dynastischen Neigungen und verfassungsrechtlich umstrittenen Winkelzügen hat der impulsive Ex-Bürgermeister von Bukarest auch bei früheren Sympathisanten Kredit verspielt.
Zwar sind auch die meisten der Gegenkandidaten in unzählige Skandale verwickelt. Aber das Ansehen des Staatschefs hat nicht nur durch unflätige Beschimpfungen von Journalisten gelitten. Der Missbrauch des Parteiapparats zur Kür seiner sich durch keine große Fachkenntnis auszeichnenden Tochter Elena zur Europa-Parlamentarierin bescherte dem selbst ernannten Saubermann den Vorwurf der Vetternwirtschaft. Auch seine Rolle bei der Installierung geheimer CIA-Gefängnisse ist fragwürdig.
Spieler statt Schiedsrichter
Seine Anhänger sehen den Präsidenten als Garanten für Demokratie. Basescu komme mit niemandem gut aus – auch mit sich selbst nicht, bemängeln Kritiker indes seine polarisierende Amtsführung: Zuerst hatte der konfliktfreudige Staatschef sich 2007 mit den einstigen Partnern von der PNL überworfen, dann im Oktober das Scheitern der wackligen Koalition seiner ihm nahestehenden PD-L mit der PSD beschleunigt. Der Präsident müsse laut Verfassung über den Parteien stehen, „Schiedsrichter und nicht Teil des Spiels“ sein, sagt der Bukarester Politologe Christian Pirvulescu. Doch Basescu missbrauche seine Macht.
Die ungeduldigen Basescu-Sprechchöre der Megafonträger steigern sich zum Orkan, als der kahlköpfige Hoffnungsträger von Beifall umtost wie ein Rockstar auf die Bühne schreitet. Im einsetzenden Regen spannen sich die orangen Schirme auf. Doch der Kandidat zieht sich die Windjacke aus und sagt mit heiserer Stimme: „Die Oligarchen wollen nicht, dass wir ihnen weiter in die Quere kommen, denn sie merken, dass sie nicht mehr so freies Spiel haben wie früher.“ Das „große Schiff Rumänien“ sei in einen Sturm geraten, verkündet rastlos auf- und abgehend der vom Regen nasse Ex-Kapitän: „Doch ich kann versichern, dass am Steuerrad ein Mann mit einer festen Hand steht.“
Keine Vision für das Land
Um mehr als sieben Prozent wird Rumäniens Wirtschaft heuer schrumpfen. Dennoch schlingert der Karpatenstaat seit über einem Monat nur mit einem geschäftsführenden Kabinett durch die Krise: Wegen des Fehlens einer handlungsfähigen Regierung versagte der IWF Bukarest kürzlich die Auszahlung der dritten Tranche eines Milliardenkredits. Rumänien mache gleichzeitig eine Wirtschafts-, Sozial-, Politik- und Verfassungskrise zu schaffen, sagt Analyst Pirvulescu. „Trotzdem gibt es keine Visionen, wie das Land damit fertig werden könnte.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2009)