Mit dem Vertrag von Lissabon schafft die EU erstmals das Amt eines ständigen EU-Ratspräsidenten. Das Amt des Außenbeauftragten wird deutlich aufgewertet.
Mit dem Vertrag von Lissabon schafft sich die Europäische Union erstmals das Amt eines für zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten des Europäischen Rates, der Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs leitet und außerdem die EU nach außen vertritt.
Das bereits bestehende Amt des EU-Außenpolitikbeauftragten (derzeit Javier Solana) wird in seiner Kompetenz deutlich aufgewertet. Der "Hohe Vertreter" leitet künftig die EU-Außenministerräte und ist fortan auch die Nummer Zwei in der EU-Kommission.
Ratspräsident führt Vorsitz
Der EU-Ratspräsident führt den Vorsitz bei den EU-Gipfeln "und gibt ihnen Impulse", wie es im Lissabon-Vertrag heißt. Er beruft zweimal pro Halbjahr den Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs ein und nimmt als Vorsitzender daran teil. "Wenn es die Lage erfordert, beruft der Präsident eine außerordentliche Tagung des Europäischen Rates ein." Dies könne durch die internationale Entwicklung erforderlich werden, "um die strategischen Vorgaben für die Politik der Union angesichts dieser Entwicklung festzulegen".
Der Ratspräsident darf nach dem Vertrag kein einzelstaatliches Amt ausüben. "Der Europäische Rat wählt seinen Präsidenten mit qualifizierter Mehrheit für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren; der Präsident kann einmal wiedergewählt werden. Im Falle einer Verhinderung oder einer schweren Verfehlung kann der Europäische Rat ihn im Wege des gleichen Verfahrens von seinem Amt entbinden." (Artikel 15)
Der Ratspräsident sorgt laut Vertrag in Zusammenarbeit mit dem Kommissionspräsidenten und dem "Hohen Vertreter" für die EU-Außenpolitik für die Vorbereitung und Kontinuität der Arbeiten des Europäischen Rates. Nach jedem Gipfel der Staats- und Regierungschefs erstattet er dem EU-Parlament Bericht. Er "wirkt darauf hin, dass Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat gefördert werden". Unbeschadet der Befugnisse des "Hohen Vertreters" nimmt er außerdem die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wahr, heißt es in dem EU-Vertrag.
Der Ratspräsident hat außerdem wichtige Befugnisse bei der Änderung von EU-Verträgen. Zu diesem Zweck kann er einen Konvent von Vertretern der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission einberufen. Der Konvent kann Änderungsentwürfe prüfen. Entscheidet der EU-Gipfel mit Zustimmung des Europaparlaments, dass kein Konvent erforderlich ist, beruft der Ratspräsident eine Regierungskonferenz zur Änderung der Verträge ein.
EU-"Außenminister" ist Bindeglied
Der EU-"Außenminister", wie er nach offizieller Lesart nicht heißen darf, ist nach dem Lissabon-Vertrag das Bindeglied zwischen der EU-Kommission und dem Rat. Der "Hohe Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik" wird von den Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Kommissionspräsidenten ernannt. Die Amtsperiode beträgt wie bei Kommissaren fünf Jahre. Er "leitet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union", er "trägt durch seine Vorschläge zur Festlegung dieser Politik bei und führt sie im Auftrag des Rates durch". Dies gilt auch für die gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik für die EU. Der "Hohe Vertreter" leitet die Sitzungen der EU-Außenminister und ist zugleich Vizepräsident der Kommission. (Artikel 18)
Der "Hohe Vertreter" vertritt nach dem Vertrag die Union "in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik". "Er führt im Namen der Union den politischen Dialog mit Dritten und vertritt den Standpunkt der Union in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen", heißt es. "Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst. Dieser Dienst arbeitet mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammen und umfasst Beamte aus den einschlägigen Abteilungen des Generalsekretariats des Rates und der Kommission sowie abgeordnetes Personal der nationalen diplomatischen Dienste." (Artikel 27)
(APA)