Auftakt

Salzburgs Konzertschiene eröffnet mit „schwarzem Licht“

Kent Nagano ließ zur Eröffnung die  Musik von Olivier Messiaen erstrahlen.
Kent Nagano ließ zur Eröffnung die Musik von Olivier Messiaen erstrahlen.(c) APA
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Zum Auftakt der Ouverture spirituelle glänzten Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Kent Nagano.

Das Eröffnungskonzert glich einem Fanal. Zur Erinnerung: 2012 rief Alexander Pereira die Ouverture spirituelle ins Festspielleben, eine Konzertserie, die vorab Möglichkeit zur musikalischen Besinnung sowie in den ersten Jahren zum Dialog mit Religion(en) bot – und seine kurze Ära überdauerte. Ausgangspunkt war dabei stets Haydns Oratorium „Die Schöpfung“. Der überwältigende C-Dur-Ausbruch des „Es werde Licht!“ nach der „Vorstellung des Chaos“ ist darin Symbol für das Erhellen der Welt, der Herzen und obendrein wohl des (aufgeklärten) Geistes.

Intendant Markus Hinterhäuser und Konzertchef Florian Wiegand haben die Ouverture spirituelle nun neu erfunden, beziehungsreich und stärker mit dem restlichen Programm verquickt. Auch in diesem Sommer wird die „Schöpfung“ zu hören sein – gegen Ende, mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. Den Auftakt machte dagegen zunächst György Ligetis berühmtes Chorstück „Lux aeterna“. Dessen „schwarzes Licht“, wie es der Komponist selbst nannte, möge den Verstorbenen leuchten – auch wenn sich die mittelalterlichen Requiemsworte im undurchdringlichen Geflecht der kanonisch sich auffächernden und aneinander reibenden Stimmen verlieren. Man denkt dabei auch an zahllose direkte und indirekte Todesopfer von Krieg und Gewalt unserer Zeit: Festspiele können und werden daran nichts ändern, dürfen dieses Wissen aber auch nicht grundsätzlich ausblenden.

Behutsam, vorsichtig fast, aber immer mit der nötigen Präzision ließ der formidable Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Kent Nagano Ligetis zarte Klangbänder durch die Felsenreitschule schweben: ein gedankenvoller, ja skeptischer Kontrapunkt vorab zum folgenden großformatigen Werk, „La Transfiguration de Notre-Seigneur Jésus-Christ“ von Olivier Messiaen, gleichfalls in den 1960er-Jahren entstanden.

Meditatives Oratorium

Messiaen, dieser fromme Ekstatiker und ebenso kindlich wie sinnlich gläubige Katholik, der zeitlebens die Schöpfung auf eigene Weise gelobt hat, indem er etwa unzählige Vogelstimmen aus aller Welt musikalisch nachgezeichnet hat, verarbeitet darin die Verklärung Christi – nicht erzählend mit Gesangsrollen wie in einem herkömmlichen Oratorium, sondern abstrahiert, meditativ, nachsinnend. Rituelle Gongschläge, Texte aus Bibel und Theologie, in einstimmigem Choral, mit monumentalen Unisonowirkungen oder in schräg schillernden Harmonien, flatternde Solokommentare von Klavier (Pierre-Laurent Aimard), Flöte, Klarinette und allerlei Schlagzeug, Kantilenen des Cellos: Das alles mündet zuletzt in verzücktes, gleißendes E-Dur. Nobler, geschmeidiger und klarer als mit Chor und Symphonieorchester des BR unter Nagano ist das schwer vorstellbar und erntete entsprechend großen Jubel.

„Transfiguration“ lautet überhaupt das Motto der Ouverture, und ihr Eröffnungsabend bildete zugleich den Auftakt von „Zeit mit Grisey“: Diese Reihe bringt Musik von und rund um Gérard Grisey, den 1998 verstorbenen Gründer der französischen Spektralisten, die sich unter den Schülern Messiaens formiert haben und wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Akustik neue Kompositionsmethoden sowie eine neue Sinnlichkeit des Klangs abgewinnen konnten.

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Der Monteverdi Choir widmet sich zum 450. Geburtstag seinem Namenspatron.(c) Massimo Giannelli

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