Der vorsitzende Richter, Helge Eckert, soll im Auftrag des Krankenanstaltenverbundes Vorträge gehalten haben und sei daher befangen. Er hatte Rainers Klage gegen den KAV, der seinen Vertrag als Arzt nicht verlängerte, abgewiesen.
Wien. Im Prozess um den Lungenfacharzt Gernot Rainer gibt es eine überraschende Wendung. Vergangene Woche hatte er sein Verfahren gegen die Stadt Wien um seine Wiedereinstellung im Otto-Wagner-Spital verloren und unmittelbar danach Berufung angekündigt. Wie die „Presse“ erfuhr, hat sein Anwalt, Christoph Völk von der Kanzlei „Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte“, nun einen Ablehnungsantrag gegen den Richter des Prozesses, Helge Eckert, eingereicht.
Eckert sei nämlich seit vielen Jahren (bis heute) Vortragender an der Hebammenakademie Wien und in „diversen Krankenpflegefachschulen“. Dort unterrichte erArbeits- sowie Beamten- und Vertragsbedienstetenrecht – und zwar „direkt im Auftrag des Krankenanstaltenverbundes“ (KAV), wie aus dem Ablehnungsantrag hervorgeht. Den Beweis für seine Tätigkeiten würden zahlreiche Broschüren liefern, in denen die Vorträge beworben werden und die dem Antrag beigelegt wurden. Damit sei der „vorsitzende Richter ausbildungsverantwortlich und Vortragender für (zumindest) das gesamte Hebammenpersonal der beklagten Partei“.
Die Ausbildung erfolge also „gemäß den Vorgaben sowie im Interesse des KAV“. Es sei daher „nachvollziehbar, dass der Richter im Rahmen seiner Tätigkeit an der Hebammenakademie das Personal im Sinne des Dienstgebers auf ihre Verpflichtungen nach der Vertragsbedienstetenordnung bzw. auf andere Bestimmungen hinweist bzw. darin unterrichtet“. Ob Eckert für seine Tätigkeit bezahlt werde (wovon ausgegangen werden müsse), sei dabei irrelevant.
Vor diesem Hintergrund sei in jedem Fall „befremdlich, dass der vorsitzende Richter im gegenständlichen Verfahren darüber entscheidet, ob die klagende Partei im Interesse der beklagten Partei handelte, die ,Gesamtinteressen' der beklagten Partei entsprechend vertritt bzw. die Treuepflichten gegenüber der beklagten Partei verletzt.“
AUF EINEN BLICK
Konflikt. Nachdem der befristete Vertrag von Gernot Rainer im Otto-Wagner-Spital Anfang 2016 nicht verlängert worden war, klagte er die Stadt Wien um Wiedereinstellung. Mit dem Argument, dass sein Engagement bei der Ärztegewerkschaft Asklepios der Grund für die Entscheidung des Krankenanstaltenverbundes war – und nicht seine fachliche Kompetenz. Das Gericht wies seine Klage ab, woraufhin Rainer Berufung ankündigte. Jetzt hat sein Anwalt auch einen Ablehnungsantrag gegen den Richter gestellt, weil dieser im Auftrag des KAV Hebammen unterrichte und daher befangen sei.
Ausgezeichnetes fachliches Zeugnis
Rainer hatte auf Wiedereinstellung geklagt, nachdem sein Vertrag im Otto-Wagner-Spital Anfang 2016 nicht verlängert worden war. Die Begründung des KAV: Rainer habe bei der „Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt und der Dienststelle“ eine „negative Beurteilung“ – der 38-Jährige hatte zuvor als Gründer der Ärztegewerkschaft Asklepios wiederholt Kritik an Personal- und Leistungsreduktionen durch den KAV geübt. Für Unverständnis sorgte die Entscheidung deshalb, weil Rainer ein fachlich ausgezeichnetes Dienstzeugnis bescheinigt wurde und seine Abteilung zwei Monate zuvor einen Antrag auf 13 zusätzliche Dienstposten stellte.
In dem Ablehnungsantrag wird auch erwähnt, warum er erst jetzt eingereicht wird: Die Tätigkeiten des Richters für den KAV seien von ihm nicht im Zuge der ersten Tagsatzung erwähnt worden und erst diese Woche bekannt geworden. „Hätte der vorsitzende Richter diese Umstände mit der klagenden Partei erörtert, wäre auf Grundlage der oben zitierten Judikatur sofort ein Ablehnungsantrag gestellt worden, da zumindest bei objektiver Betrachtung die Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen gewesen wäre.“ Auf „Presse“-Nachfrage bestätigt Rechtsanwalt Völk das Einreichen eines Ablehnungsantrags beim Arbeits- und Sozialgericht, er wolle aber „nicht näher darauf eingehen, da darüber nun das Gericht zu entscheiden hat“.
Die Befangenheit werde vom OGH jedenfalls „sehr, sehr streng ausgelegt“, betont Völk. „Es reicht bereits der Anschein bzw. Befürchtungen, dass aufgrund gewisser Umstände ein Richter befangen sein könnte.“ Auch sei laut OGH der äußere Anschein im Sinne „sichtbarer Gerechtigkeit“ von Bedeutung. „Im Sinne des Mandanten bin ich daher gesetzlich verpflichtet, alle Befürchtungen der Befangenheit dem Gericht bekannt zu geben.“ Denn Befangenheit liege bereits dann vor, „wenn die Fähigkeit eines Richters zur sachlichen Behandlung in einem Verfahren fehlt oder auch nur irgendwie behindert ist bzw. eine solche Beeinträchtigung mit Grund befürchtet werden muss“.
Vortragstätigkeiten für die Hebammenakademie
Auch Rainer selbst sieht ein „gewisses Naheverhältnis“ des Richters zum KAV und zur Stadt Wien. „Es sind Hinweise aufgetreten, dass Helge Eckert regelmäßige Vortragstätigkeiten für die Hebammenakademie des KAV wahrgenommen hat“, sagt er. „Da für Juristen und insbesondere für Richter sehr strenge Maßstäbe gelten, ist hier Befangenheit zu befürchten. Wir möchten diesen Sachverhalt vom Arbeitsgericht prüfen lassen, um alle Zweifel auszuräumen, und werden dann selbstverständlich jede rechtskräftige Entscheidung akzeptieren.“
Mit dem Antrag konfrontiert, teilte ein KAV-Sprecher am Montag mit, dass „die Hebammenakademie, wo Eckert vorträgt oder vorgetragen hat, seit 2007 über die FH Campus Wien läuft, nicht über den KAV – es handelt sich um eine Kooperation mit dem KAV an KAV-Standorten. Auf die Bestellung der Lehrenden an der FH Campus Wien nimmt der KAV keinen Einfluss.“ Vonseiten des Arbeitsgerichts heißt es, dass die Vortragstätigkeit schon länger zurückliege und Eckert offenbar keine Befangenheitsgründe gesehen habe. Sonst hätte er seine Tätigkeiten zu Prozessbeginn offengelegt, wozu alle Richter verpflichtet seien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2017)