Urteil

Deutsche Atomsteuer null und nichtig

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Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die Steuer auf Brennelemente gekippt. AKW-Betreiber können nun auf Milliardenrückzahlungen hoffen.

Berlin/Karlsruhe. Die deutschen AKW-Betreiber E.On, RWE und EnBW können auf die Rückzahlung von insgesamt gut sechs Milliarden Euro Atomsteuer hoffen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch die zwischen 2011 und 2016 erhobene Kernbrennstoffsteuer für verfassungswidrig und nichtig erklärt, damit ist das Gesetz auch für die Vergangenheit nicht anwendbar.

Deutschland kündigte bereits an, den Konzernen die gezahlte Atomsteuer plus Zinsen zu erstatten. „Natürlich wird die Bundesregierung das Urteil umsetzen“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Berlin. Für den Zeitraum von 2011 bis 2016 würden demnach rund 6,3 Milliarden Euro plus sechs Prozent Zinsen pro Jahr zurückgezahlt. Ab 2014 fielen allerdings keine Prozesszinsen an, da die Steuerbescheide dann nur noch vorläufig waren. Eine Gesamtsumme inklusive Zinsen konnte der Sprecher noch nicht nennen. E.On rechnet damit, zu den rund 2,85 Mrd. Euro an bezahlten Atomsteuern rund 450 Mio. Euro Zinsen zurückzuerhalten.

Der Regierungssprecher betonte indes, die schwarze Null – also ein Haushalt ohne Neuverschuldung – stehe trotz der Zahlungen. Die deutsche Bundesregierung plane auch keine neue Abgabe als Ersatz für die Brennelemente-Steuer. Kritik äußerte der Sprecher daran, dass das Verfassungsgericht das Urteil ohne mündliche Verhandlung verkündet hat. Die Regierung habe somit nicht die Möglichkeit gehabt, ihre Position noch einmal zu erläutern.

„Ohne Befugnis eingeführt“

Die Verfassungsrichter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Bund keine Befugnis zur Einführung der Steuer gehabt habe. „Außerhalb der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung haben Bund und Länder kein Steuerfindungsrecht“, heißt es in dem Urteil. Die Brennelemente-Steuer sei keine Verbrauchssteuer.

Das Finanzgericht Hamburg hatte die Rechtmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer bezweifelt und deshalb das Gesetz Karlsruhe zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt. Der Fall geht jetzt an das Finanzgericht Hamburg zurück. Dieses wird nun nach den Karlsruher Vorgaben die Rückerstattung regeln.

Der Geldsegen kommt den von der Energiewende gebeutelten Versorgern gerade recht. Sie haben in den vergangenen Jahren Milliardenverluste eingefahren – 2016 beliefen sich diese bei E.On auf 16 Milliarden Euro und bei RWE auf 5,7 Milliarden. Zudem müssen sie im Sommer für die Einigung bei der Atommüll-Lagerung Milliardensummen in einen staatlichen Fonds einzahlen.

Die Aussicht auf milliardenschwere Rückzahlungen hat zudem die Aktien der Versorger am Mittwoch auf Höhenflug geschickt. RWE-Aktien schossen bis zum frühen Nachmittag um 6,3 Prozent auf 19,70 Euro in die Höhe, sie notierten damit so hoch wie seit knapp zwei Jahren nicht mehr. E.On-Papiere legten 5,6 Prozent zu und erreichten ein Zehnmonatshoch von 8,50 Euro. Beide Titel kletterten an die Dax-Spitze, nachdem sie zuvor noch zu den größten Verlierern gezählt hatten. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2017)

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