Labour-Chef Corbyn prognostiziert bereits weitere Neuwahlen in diesem Jahr. Das Boulevard wettert gegen die Minderheitenregierung mit der nordirischen DUP.
Die britische Premierministerin gerät nach ihrem Wahldebakel am Freitag immer mehr unter Druck. Der frühere Tory-Finanzminister George Osborne sagte am Sonntag der BBC, Mays Tage seien gezählt, die einzige Frage sei, "wie lange sie noch im Todestrakt" sitze.
So ist die Bildung einer von den nordirischen Unionisten geduldeten Minderheitsregierung noch nicht unter Dach und Fach. Nachdem ein Sprecher von Premierministerin Theresa May am Samstagabend bereits eine Einigung zwischen den Tories und der rechten Democratic Unionist Party (DUP) verkündet hatte, äußerte sich Downing Street Sonntag früh zurückhaltend.
Die Regierung reagierte damit auf ein Statement der protestantischen und unionistischen DUP am Sonntag: Die Gespräche seien zwar "bisher positiv" verlaufen, doch einen Deal mit der Premierministerin gebe es noch nicht. Die beiden Parteien wollen in den nächsten Tagen noch weitere Gespräche führen, um die Vereinbarung "endgültig" unter Dach und Fach zu bringen, verlautete daraufhin aus der Downing Street.
Gerüchte: Johnson soll Ablöse finden
Eine Zusammenarbeit mit der homophoben DUP ist auch unter Tories umstritten. Die lesbische Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, äußerte als eine der ersten Kritik an einem Deal mit der DUP. Mehrere hundert Menschen, darunter viele Labour-Wähler, protestierten im Zentrum Londons gegen die "rassistische, sexistische, schwulenfeindliche DUP".
Auch in den britischen Medien steht die Premierministerin massiv in der Kritik. "Sie ist erledigt", titelte die Boulevard-Zeitung "The Sun" am Samstag. "May blickt in den Abgrund" lautete die Schlagzeile der "Times", "Die Tories wenden sich gegen Theresa", schrieb die konservative "Daily Mail". "Koalition der Irren" titelte die Boulevard-Zeitung "Daily Mirror" mit Blick auf die nordirischen DUP. Dieser Tenor setzte sich am Sonntag fort: "Diskreditiert, gedemütigt, geschrumpft", schrieb der "Observer". "Theresa May hat Glaubwürdigkeit und Einfluss in ihrer Partei, im Land und in Europa verloren."
Die "Mail on Sunday" berichtete, Außenminister Boris Johnson plane, Mays Ablösung zu beantragen. Laut "Sunday Times" haben fünf Kabinettsmitglieder Johnson dazu gedrängt. Johnson dementierte die Berichte. "Ich unterstütze Theresa May", erklärte er.
Corbyn: Möglich, dass ich Premier werde
Jeremy Corbyn, dessen oppositionelle Labour-Partei bei der Wahl am Donnerstag starke Zugewinne erzielt hatte, sagte dem "Sunday Mirror", es sei noch immer möglich, dass er Premierminister werde. Er kündigte an, im Parlament gegen das Programm der May-Regierung zu stimmen. "Es ist gut möglich, dass es noch eine Wahl im Jahresverlauf oder Anfang nächsten Jahres geben wird", sagte der Chef der Labour-Partei am Sonntag der BBC. Seine Partei sei bereit für einen weiteren Wahlkampf.
May hatte die vorgezogene Neuwahl eigentlich mit dem Ziel ausgerufen, ihre Regierungsmehrheit vor Beginn der Verhandlungen über den Austritt der Briten aus der EU zu verbreitern. Stattdessen verloren die Konservativen aber ihre absolute Mehrheit und sind nun auf einen Bündnispartner angewiesen.
Streitpunkt: Grenze zu Nordirland
Bisher ist offen, was die DUP von den Tories im Parlament für ihre Unterstützung fordert. Die Partei ist strikt gegen eine undurchlässige EU-Außengrenze zwischen Nordirland und Irland nach dem EU-Austritt der Briten. Nordirland befürchtet wirtschaftliche Nachteile und ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen proirischen Republikanern und probritischen Unionisten.
May dagegen hat die Kontrolle über die eigenen Grenzen bisher als wichtigstes Ziel der Verhandlungen mit der EU genannt und ist bereit, dafür die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion aufzugeben. Die Verhandlungen sollen bereits am 19. Juni beginnen.
(APA/AFP/dpa)