Adoption: Zwei Mütter für Janis

'kreuz und quer', 'Mit offenen Karten ? Neue Wege der Adoption.' SENDUNG: ORF2 - DI - 13.10.2009 - 22:30 UHR.
'kreuz und quer', 'Mit offenen Karten ? Neue Wege der Adoption.' SENDUNG: ORF2 - DI - 13.10.2009 - 22:30 UHR.(c) ORF
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Adoption bleibt im Gesetz zur Homo-Ehe für schwule und lesbische Partner verboten. Doch viele Paare mit Kinderwunsch haben längst ihren Traum vom Nachwuchs verwirklicht.

Karen K. zieht das Fotoalbum aus dem Regal, blättert darin herum. Hier ist sie, die Aufnahme! Zwei junge Frauen, die eine mit braunem, die andere mit blondem Haar, daneben Sohn Janis. Alle drei lachen sie in die Kamera, die beiden Frauen zeigen stolz ihre Ringe. Die Szene spielt am Ufer eines Teichs hinter dem Standesamt Pankow in Berlin, es ist ein Freudentag, dieser Mittwoch im Mai 2006: Karen K.s und Renate B.s Hochzeit (volle Namen der Redaktion bekannt) – oder, wie es offiziell heißt, die Eintragung ihrer Partnerschaft. „Ganz herrlich“ sei das gewesen, schwärmt Karen K. Die Standesbeamtin – „für die das vielleicht auch nicht alltäglich war“ – habe die Zeremonie sehr empathisch über die Bühne gebracht.

Kein Sorgerecht. Seit acht Jahren gibt es in Deutschland die Möglichkeit einer Eingetragenen Partnerschaft (EP) für lesbische und schwule Paare, ebenso wie in vielen anderen Ländern Europas. Nun zieht Österreich mit einem eigenen Gesetz über die „Homo-Ehe“ nach, das mit 1. Jänner 2010 in Kraft treten wird. Allerdings mit zwei wesentlichen Unterschieden: Am Standesamt – so wie Karen K., deutsche Staatsbürgerin, und ihre langjährige Freundin – können sich Paare in Österreich nicht trauen lassen. Und: Die sogenannte Stiefkindadoption wird es in Österreich – anders als seit 2005 in Deutschland – nicht geben. Sie wird im neuen Gesetz sogar explizit verboten, so wie auch die gemeinsame Adoption eines fremden Kindes oder die Nutzung von Fortpflanzungstechnologien.

Für homosexuelle Familien mit Kindern, die wie bei den beiden Frauen mittels Samenspende im Ausland entstanden sind, böte die Stiefkindadoption aber eine wichtige Sicherheit – nämlich das volle Sorgerecht, auch für die nichtleibliche Mutter.

Arztbesuch oder Elternsprechtag des Kindes – all das sind Fälle, in denen der nichtleibliche Partner derzeit kein Recht auf Information hat, sondern viel vom „Goodwill“ der Institutionen abhängt, wie Christian Högl, Obmann der Homosexuellen Initiative Wien (Hosi), sagt. Er würdigt das österreichische Gesetz zur Homo-Ehe dennoch als „ersten Schritt“. Per Gesetz alle Eventualitäten abzudecken sei auch deshalb schwierig, so Högl, weil es nicht die Regenbogenfamilie gebe. Einige wenige Paare – wie etwa die Oberösterreicher Karl Sibelius und Rainer Bartel – wählen den schwierigen Weg einer Auslandsadoption; andere nehmen Pflegekinder auf (bisher nur im homo-freundlichen Wien und in Oberösterreich möglich). Als „Inseminationskinder“ werden jene Kinder bezeichnet, die über Samenbanken oder kreatives Self-Help (Injektion der Spermien mittels Spritze) entstehen. Doch die Mehrzahl der Regenbogenkinder entstammt ganz konventionellen Umständen: Ein Elternteil bringt sie aus einer früheren Hetero-Beziehung in die neue homosexuelle Lebensgemeinschaft mit.


Unverständnis am Schalter. Bedenken, dass Kinder mit homosexuellen Eltern einem höheren Leidensdruck ausgesetzt wären, können Renate B. und Karen K. nicht bestätigen. Ihr Sohn geht in den Kindergarten – dort ist es ganz normal, dass er eben „zwei Muttis“ hat. Menschen auf der Straße reagierten auf sie, als lesbisches Paar mit Kind, positiver als zuvor, berichten die beiden. „Es ist eine Angleichung an die Norm. Konventionelle Lebensentwürfe sind eben nicht nur Heteros vorbehalten.“ Nur ein Beispiel fällt der 38-jährigen Renate B. ein, wo sie mit ihrer Familie regelmäßig auf „völliges Unverständnis“ stößt: Am ÖBB-Schalter, wenn sie ihre Familienkarte vorzeigt. „Wenn ich unsere Situation erkläre, ist es den Schalterbeamten dann peinlich“, sagt sie schmunzelnd.

Unterstützung erhalten die Homo-Eltern von einer repräsentativen Studie im Auftrag des deutschen Justizministeriums. Diese stellt bei den Eltern-Kind-Beziehungen in Regenbogenfamilien „keine grundlegenden Unterschiede“ zu Hetero-Familien fest. Helena Planicka vom Verein „Eltern für Kinder Österreich“ hält dabei ein „selbstverständliches Auftreten als homosexuelle Eltern“ für wichtig. Planicka: „Durch ihr eigenes Coming-out haben sie Ressourcen entwickelt, mit dem Anderssein umzugehen. Sie können so gut ihre Kinder stützen.“

Wobei es schwule Männer mit Kinderwunsch fraglos schwerer haben. „Ein eigenständiger Kinderwunsch wird Männern oft abgesprochen“, sagt Thomas Fröhlich, Sozialarbeiter bei der Beratungsstelle Courage. Es sei eben ein „gesellschaftlich ungewohntes Rollenbild, dass sich ein Mann in so eine aktive Vaterrolle begibt“. Würde bei einem Frauenpaar die doppelte Mutterrolle als eher positiv gewertet, sei bei schwulen Vätern oft das Stigma von Pädophilie in den Köpfen.

Thomas R. ist froh, dass es ein Mädchen geworden ist. „Wegen der Vorurteile bei Jungen“, wie er sagt. Seit sieben Monaten haben sein Partner, ein Arzt, und er ein Pflegekind: die kleine Maria. Wenn er Unbekannten seine Familie erklärt, dann „rattert es im Kopf“, sagt der 33-Jährige, „das kann ich sehen“. Wegen familiärer Probleme hat das Jugendamt Marias Mutter die Obsorge entzogen, einmal im Monat gibt es nun Besuchskontakt. Unter den 449 Wiener Pflegeeltern sind mindestens 23 gleichgeschlechtliche Paare. Genaue Zahlen hat man beim Wiener Amt für Jugend und Familie nicht. „Sexuelle Orientierung ist für uns kein Kriterium“, sagt die leitende Sozialarbeiterin Martina Reichl-Rossbacher.

Thomas R. war im Personalmanagement tätig, verdiente sehr gut. Doch er entschied sich für die Familie, schließlich war er doch mit Anfang 30 „im typischen Alter, in dem man Kinder kriegt“. Für Maria gab er seine Karriere auf. „Ich habe sie im Krankenhaus gesehen und es hat ,Klick‘ gemacht. Seitdem ist sie die Chefin.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2009)

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