In Runde eins am Sonntag lag Macrons Bewegung bereits klar an der Spitze. Woran viele Vorgänger scheiterten, will der junge Präsident zügig anpacken: das Land zu modernisieren und zu sanieren.
Vom Wahljahr 2017 wird in Frankreich in Erinnerung bleiben, wie Emmanuel Macron, ein 39-Jähriger, mit seiner Bewegung alle überrascht und überholt hat. Alle anderen, und allen voran die traditionellen Parteien von links und rechts, sahen plötzlich steinalt aus. Es war, als erwachte das Land aus einem Dämmerzustand.
Die Parlamentswahl war der erste Stimmungstest für den neuen Präsidenten - und sie ging für den Polit-Newcomer klar positiv aus: Die Wähler haben Macron und seiner Regierung eine echte Chance zur Verwirklichung der angekündigten Politik gegeben. Macrons Partei „La République en marche!“ und die Zentrumspartei MoDem gewinnen zusammen 32,32 Prozent der Stimmen.
Macron kann nun bei der Stichwahl am kommenden Sonntag mit einer deutlichen absoluten Mehrheit rechnen: Sein Bündnis könnte 400 bis 455 der insgesamt 577 Abgeordnetenmandate erobern - und damit wie keiner seiner Vorgänger in der Geschichte der Fünften Republik, die 1958 gegründet wurde, abräumen.
Rekordtief bei Wahlbeteiligung
Zugleich straften die Wähler am Sonntag die anderen Parteien ab. Die konservativen Republikaner hatten nach der Pleite ihres Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon eine Revanche erhofft. Doch sie landeten nun weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz und dürften in der neuen Nationalversammlung nur rund 100 Abgeordnete stellen. Die Sozialisten von Ex-Staatschef Francois Hollande erhielten sogar nur rund zehn Prozent und dürften künftig weniger als 40 Abgeordnete stellen: eine historische Ohrfeige.
Doch auch die rechtspopulistische Front National (FN) schnitt schlecht ab. Einen Monat, nachdem Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl mit fast elf Millionen Stimmen einen FN-Rekord erzielte, landeten die Rechtspopulisten bei 13,2 Prozent und dürften höchstens zehn Mandate bekommen. Als Mindestziel hatte die FN eigentlich 15 Abgeordnete anvisiert, um eine Fraktion bilden zu können.
Freilich war nur etwas mehr als die Hälfte (51,29 Prozent) der Stimmberechtigten wählen gegangen: Es ist die niedrigste Beteiligung bei einer Parlamentswahl in der Geschichte Fünften Republik. Das erklärt sich mit einer gewissen Wahlmüdigkeit, aber auch mit dem Gefühl, dass die Würfel bereits gefallen waren.
Macron warf den Turbo an
"Frankreich ist zurück", sagte Ministerpräsident Edouard Philippe im Fernsehen. Das gute Ergebnis zeige, dass die Bevölkerung hinter dem Reformkurs stehe. Macron hatte gleich nach Amtsantritt den Turbo angeworfen: Noch vor dem zweiten Wahlgang wird etwa die Gesetzesvorlage veröffentlicht, mit der die Regierung das Versprechen halten will, in der Politik für mehr Ehrlichkeit, Transparenz und Moral zu sorgen. Das ist nach der Fillon-Affäre wichtig. Eine zweite Priorität ist der Kampf gegen den Terror. Macron nimmt das Kommando persönlich in die Hand mit der Bildung einer Taskforce, die in Verbindung mit sämtlichen Nachrichtendiensten die Koordination übernimmt.
Die sozial- und wirtschaftspolitisch kniffligen Aufgaben stehen im Sommer auf der Agenda. Macron will die Liberalisierung des Arbeitsrechts nach einem Dialog mit den Sozialpartnern auf dem Dringlichkeitsweg mit „Ordonnanzen“ durchsetzen. Diese Prozedur braucht den Sanktus der Abgeordneten und Senatoren, ermöglicht es der Regierung aber, schneller als sonst vorzugehen.
Angesagte Revolutionen
Bereits sind durch Indiskretionen die Linien dieser Arbeitsmarktreform bekannt. Sie soll eine Umwälzung einleiten. Was bisher vom Gesetz wie in Marmor gehauen war, soll künftig auf Betriebs- und Unternehmensebene diskutiert und beschlossen werden: die Dauer der Dienstverträge, die Kündigungsbedingungen, die Arbeitszeiten, die Löhne und auch die Mitbestimmung. Den Arbeitgebern möchte die Regierung auch durch eine Begrenzung der von Arbeitsgerichten beschlossenen maximalen Entschädigungen für Entlassene entgegenkommen.
In der Frage des Pensionsalters und der Renten plant Macron eine weitere Revolution, indem er die unzähligen Kassen für berufliche Sonderkategorien in einem System einen und die Pensionsberechnung individualisieren möchte. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer soll steigen, weil ein Teil der Sozialleistungen nicht durch Lohnabzüge, sondern über eine geringe Steuererhöhung erfolgen soll, die nur bestimmte Erwerbstätige, aber auch Senioren treffen würde.
Zu den ersten Schritten gehört auch eine Bestandsaufnahme der Volkswirtschaft und öffentlichen Finanzen. Das bestimmt, ob und wie rasch er sein Programm umsetzen kann. Vor fünf Jahren hat es François Hollande versäumt, solcherart Inventur zu machen. Er hat sich damit nicht nur selbst getäuscht, sondern auch seinem Volk die Wahrheit über die desolate Lage vorenthalten.
Rückenwind währt nicht ewig
Macron hat viel aus Fehlern Hollandes und Sarkozys gelernt. Er weiß daher, dass jede gescheiterte Reform die Chancen für weitere Änderungen vereiteln kann. Der günstige Wird wird zudem nicht ewig währen. Wenn er jetzt eine so große Mehrheit bekommt, hat er aber keine Entschuldigung, wenn er seinen Plan nicht Punkt für Punkt umsetzt.