Wahlkampf: Der rote Pensionisten-Brief reloaded

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Die SPÖ bringt ein Video mit Warnungen vor Kurz als Sozialabbauer zum Einsatz. Die Freiheitlichen wollen den ÖVP-Chef in sozialen Medien ins Visier nehmen.

Wien/Straßburg. Da werden Erinnerungen an den Wahlkampf für die Nationalratswahl im Dezember 1995 wach. Damals brach die rot-schwarze Regierung nach einem Jahr wegen des Budgets. ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel wurde mit Plänen für Verschärfungen bei Frühpensionisten als Sozialabbauer gebrandmarkt, Bundeskanzler Franz Vranitzky wurde mit seinem legendären „Pensionisten-Brief“ zum Wahlretter für die SPÖ.

Im Wahlkampf 2017 erlebt der Konflikt im Wahlkampf eine Neuauflage. In der Rolle des roten Buhmanns ist ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz. Denn dieser geizt mit Details das Geld für die angekündigte Steuerentlastung von zwölf bis 14 Milliarden Euro.

Die SPÖ kämpft anno 2017 mit einem Video. Sie wirft Kurz darin vor, Kranke, Pensionisten und Arbeitslose würden leiden, Menschen in die Armut getrieben. Das Video nimmt Bezug auf eine Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung von Ende Mai. Die Einführung der deutschen Hartz IV-Regelung in Österreich brächte demnach Einsparungen im Sozialbereich von einer Milliarde Euro.

Das ÖVP-geführte Finanzministerium als Auftraggeber betonte prompt, die Studie sei zwei Jahre alt. Ganz so stimmt das nicht, wie auf Nachfrage erläutert wurde. Erst im Frühjahr 2016 wurde offiziell der Auftrag erteilt, der Start erfolgte später. Was aber als sicher gilt, ist, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling Hartz IV-Pläne gar nicht aufgegriffen hat, weil Österreichs Sozialsystem anders aufgebaut sei.

FPÖ: Vilimskys Strategie

Der Hype um Kurz und die hohen Beliebtheitswerte des Außenministers sorgen auch bei der FPÖ für Nervosität. Die Freiheitlichen wollen den Nimbus von Kurz ins Visier nehmen, wie FPÖ-Generalsekretär und Europaabgeordneter Harald Vilimsky am Rande der Plenarsitzung des EU-Parlaments in Straßburg erklärte.

Konkret will die FPÖ gezielt im Internet und über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter die Performance des ÖVP-Frontmannes kommentieren – und wohl auch kritisieren. Als Ausdruck von Hilflosigkeit angesichts der medialen Fokussierung auf Kurz will Vilimsky den geplanten Frontalangriff auf den ÖVP-Spitzenkandidaten allerdings nicht verstanden wissen – das sei normale Kommunikationsstrategie im Zeitalter der sozialen Netzwerke. Ob die FPÖ eine separate Kurz-Beobachtungsstelle im Internet einrichten wird, ließ Vilimsky offen - eine Website à la „Kurz-Watch.at“ hätte jedenfalls Charme“, so der FPÖ-Generalsekretär. (ett/la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2017)

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