Die Öffnung zur FPÖ ist richtig. Wenn es dafür einen „Wertekanon“ als Behelf braucht – soll sein. Die Urabstimmung nach der Wahl ist allerdings Nonsens.
Die SPÖ hat damit Wahlen gewonnen und auch neues Selbstbewusstsein, nachdem die Zeit klassischer linker Verteilungs- und Reformpolitik in den 80er-Jahren zu Ende war: mit der Abgrenzung zur und der Ausgrenzung der FPÖ. Die Grenze war fließend. Doch zuletzt war das nur noch eine Selbstfesselung: Die SPÖ konnte zwar Stimmen lukrieren, in dem sie vor der FPÖ warnte, aber sie nahm sich eine Regierungsoption.
Nun, da das Verhältnis der traditionellen Regierungspartner SPÖ und ÖVP nachhaltig erschüttert scheint und somit eine Wiederauflage dieser Koalition auch äußerst unwahrscheinlich, braucht die SPÖ diese Option – die rot-blaue nämlich. Sonst kann sich Christian Kern den Kanzler aufzeichnen. Eine Koalition mit den Grünen und den Neos wird sich nicht ausgehen.
Der viel gescholtene Hans Niessl hat den notwendigen Tabubruch maßgeblich herbeigeführt: Er ist trotz massiver innerparteilicher Kritik eine Koalition mit der FPÖ eingegangen. Und es ist eigentlich nichts passiert. Also nichts von den Kritikern Befürchtetes. Außer dass etwa der frühere (freiheitliche) Tourismus-Manager von Kärnten nun Tourismus-Manager im Burgenland ist. Und Ähnliches. In den Umfragen steht die Niessl-SPÖ jedenfalls bestens da.
Die SPÖ wird erwachsen. In einer parlamentarischen Demokratie sollte es möglich sein, dass die demokratisch legitimierten Kräfte eine Regierung bilden. Einmal die mit denen, dann die mit den anderen – oder umgekehrt. Man muss die Differenzen ja nicht begraben. Und wenn man einen „Kriterienkatalog“ und einen „Wertekanon“ braucht, als Stütze, um sich da drüberzutrauen – soll sein. Die FPÖ als Dauer-Paria der Innenpolitik bringt niemandem etwas. Die Alternative wäre die Wiederkehr der ewig gleichen Großen Koalition.
Jetzt fehlt nur noch, dass nach der Parteiführung auch jene Genossen, insbesondere in Wien, die sich als eine Art Elite der Bewegung verstehen, die am besten wissen, was gut für den kleinen Mann, die Partei und die Welt im Allgemeinen ist, endlich erwachsen werden.
Nicht der Weisheit letzter Schluss ist allerdings die Idee einer Urabstimmung unter den SPÖ-Mitgliedern nach der Wahl. Nicht nur der Bundespräsident wird dem mit großer Sorge entgegensehen. Erst die Wahl, dann Koalitionsverhandlungen, dann eine Urabstimmung über das Ausverhandelte, dann vielleicht Ablehnung. Die Koalitionsverhandlungen könnten sich über Monate ziehen. Da tut sich die SPÖ auch wahltaktisch keinen Gefallen. Denn der Wähler könnte dieses drohende Chaos zu vermeiden versuchen.