Grenfell Tower: Die verzweifelte Suche nach den Vermissten

Feuerwehrmann im Grenfell Tower.
Feuerwehrmann im Grenfell Tower.(c) AFP (CHRIS J RATCLIFFE)
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Die Polizei hat bisher den Tod von 30 Menschen bestätigt, 65 Menschen gelten als vermisst. Indes sollen alle Bewohner des Hochhauses bis zum Wochenende neue Wohnungen erhalten.

Nach dem verheerenden Hochhausbrand in London suchen Freunde und Verwandte verzweifelt mit Postern und in sozialen Medien nach Vermissten. Bisher hat die Polizei den Tod von mindestens 30 Menschen bestätigt. 65 Menschen gelten als vermisst. Die Möglichkeit, dass die Zahl der Todesopfer in den dreistelligen Bereich steigen könnte, schloss die Behörde nicht aus.

Auch das erste Opfer des verheerenden Brandes wurde am Freitag identifiziert: Es handelt sich um einen syrischen Flüchtling namens Mohammed Alhajali. Sein Bruder Omar brach in Tränen aus, als er von der Flucht der beiden aus dem 14. Stock berichtete. Omar dachte, dass sein Bruder entkommen konnte, er hatte ihn allerdings aus den Augen verloren. Nun wurde bekannt, dass Mohammed es nicht ins Freie geschafft hat. Kurz vor seinem Tod hatte er noch mit Omar telefoniert: "Warum hast du mich allein gelassen. Ich sterbe. Ich kann nicht atmen."

Der Grenfell Tower.
Der Grenfell Tower.APA

Berichten zufolge lebten zwischen 400 und 600 Menschen in dem 24 Stockwerke hohen Sozialbau. 24 Menschen wurden am Freitag noch in Krankenhäusern der britischen Hauptstadt behandelt. Der Zustand von zwölf Patienten sei derzeit kritisch, teilte die Gesundheitsbehörde mit. Die Feuerwehr blieb auch am Freitag im Einsatz. Der Brand im Grenfell Tower ist Augenzeugenberichten zufolge noch nicht vollständig gelöscht. Rettungsteams suchten mit Drohnen und Spürhunden nach Menschen.

Italienisches Paar unter den Vermissten

Zu den Vermissten gehört auch ein junges italienisches Paar aus der Region Venetien. Die beiden 27-jährigen Architekten waren im März nach London gezogen und hatten im Grenfell Tower eine Wohnung gemietet.

Das vermisste italienische Paar Gloria Trevisan und Marco Gottardi.
Das vermisste italienische Paar Gloria Trevisan und Marco Gottardi.(c) Reuters

"Wir hegen kaum noch Hoffnung, dass Gloria und Marco noch am Leben sind. Doch bis zum Schluss wollen wir an ein Wunder glauben", sagte der Vater des jungen Mannes aus der Provinz Venedig, der mit seiner aus der Nähe von Padua stammenden Freundin nach London gezogen war. Die junge Frau habe sich aus dem brennenden Haus telefonisch noch von ihrer Mutter verabschiedet. "Unser Sohn hat uns noch gesagt, dass die Wohnung voller Rauch und die Lage kritisch war. Danach haben wir nichts mehr von ihm gehört", berichtete der Vater. Ein Bruder des Vermissten reiste nach London.

Kritik an der Fassadenverkleidung

Auf der Suche nach der Feuerursache können bisher weder Brandstiftung noch ein technischer Defekt ausgeschlossen werden. Die "Daily Mail" berichtete, dass der Brand in der Wohnung eines Taxifahrers im vierten Stock ausgebrochen sei. Scheinbar geriet ein Kühlschrank in Brand. Premierministerin Theresa May kündigte eine unabhängige Untersuchung des Unglücks an, auch um aufzuklären, ob der Brandschutz mangelhaft war.

Viel Ärger fokussierte sich auf die erst kürzlich angebrachte Fassadenverkleidung. Die Grenfell-Mieterinitiative teilte mit, man habe wegen der schlechten Sicherheitsstandards in dem Hochhaus und anderswo im Bezirk in den vergangenen Jahren häufig gewarnt.

Queen besucht Opfer und Helfer

Königin Elizabeth II. und Prinz William haben Opfer und Helfer der Brandkatastrophe am Grenfell Tower in London getroffen. Die Queen und ihr Enkel besuchten am Freitag eine Notunterkunft in einem Fitnesscenter im Stadtteil Kensington in der Nähe des Brandorts.

Die Queen trifft Opfer der Brandkatastrophe.
Die Queen trifft Opfer der Brandkatastrophe.(c) Reuters

Schon am Donnerstag hatte die Monarchin den Mut der Feuerwehrleute und die "unglaubliche Großzügigkeit" der freiwilligen Helfer gewürdigt. Auch die britische Premierministerin Theresa May hat am Freitag Opfer des Unglücks im Krankenhaus besucht. May wollte später am Freitag ein Treffen mit Regierungsvertretern zu Hilfsmaßnahmen für die Opfer leiten. May war zuvor heftig in die Kritik geraten, weil sie bei ihrem Besuch am Grenfell Tower am Donnerstag nicht mit Opfern des Unglücks gesprochen hatte. Der Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte hingegen Betroffene getröstet.

Neue Wohnungen für die Überlebenden

Indes sollen alle Bewohner des Hochhauses bis zum Wochenende neue Wohnungen erhalten. Das sagte Megan Hession von der Stadtverwaltung in Kensington und Chelsea am Freitag. Zahlreiche Menschen hatten auch die vergangene Nacht noch in Turnhallen und Hotels verbracht.

Aktivisten haben zu einer Solidaritätskundgebung im Regierungsbezirk Westminster aufgerufen. Die Demonstration soll am frühen Abend vor dem Ministerium für Kommunen stattfinden, das auch für Wohnungsbau verantwortlich ist. Viele Bürger geben der britischen Regierung eine Mitschuld an dem Feuer im Grenfell Tower. Auf Facebook hatten Freitagfrüh schon 1800 Demonstranten ihre Teilnahme an der Kundgebung unter dem Motto "Justice for Grenfell!" (Gerechtigkeit für Grenfell) angekündigt.

(APA/dpa/Reuters)

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